Über die neu geplanten Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA wird schon von vielen Seiten berichtet. Daher hier zunächst einige hochqualitative Verlinkungen und zusätzliche Informationen.

Hier der Artikel von Le Monde Diplomatique, der alles ins Rollen brachte. Lesenswert! Und ein Folgeartikel.

"The Guardian" über die Investorenklausel und was sie für Europa bedeuten kann/ wird, z.B. das Aushebeln jeglicher Maßnahmen zum Umweltschutz (in englisch): The lies behind transantlantic trade deal

Im Januar 2015 sind weitere Informationen "geleaked":
Original-Dokument
USA sollen Mitsprachtrecht bei Europäischen Gesetzen bekommen

TTIP soll Parlamenten Finanzmarktregulierung entziehen
Die EU-Kommission plant, dass alle neuen Gesetze des Bundes und der Länder zukünftig vorab einer "zentralen Anlaufstelle" der USA vorgelegt werden müssen

Aktion gegen TTIP von Campact.

Das primitive Berechnungsmodell, mit dem die Freihandelslobby ein Wirtschaftswachstum herbeizaubert, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt.

Zwei alarmierende Artikel von Wolfgang Berger: Artikel 1, Artikel 2

Was spricht für CETA und TTIP?


Wenn eine Kanzlerin Merkel gefragt wird, warum sie die Freihandelsabkommen unterstützt sagt sie, dass sie es für richtig hält, weil sie ein Wirtschaftswachstum bringen sollen. Sehen wir uns doch mal dieses - einzige - „Argument“ für TTIP und CETA an:
Das Wirtschaftswachstum soll 0,5% in 20 Jahren betragen. Das allein ist schon ein lachhaft schlechter Ausgleich für den Preis, den wir dafür bezahlen würden (siehe unten). Wie wurde dieses Wachstum denn berechnet? Man kann es kaum glauben, wenn man die Details ansieht. Es wurde das Neoklassik-Modell verwendet, in dem es nur EINEN Haushalt gibt, in den alle Gelder hinein- und herausfließen www.heise.de/tp/artikel/40/40780/2.html. In der sogenannten „Simulation“ gibt es darüber hinaus kein Modell für Zeit. Das bedeutet, dass die Lobbywissenschaftler einfach Annahmen darüber getroffen haben, wie sich das Freihandelsabkommen auswirkt und das Modell mit diesen gefüttert hat, um die Prognose für die Zukunft zu orakeln. Das vorausgesagte Wachstum ist also ein rein auf Annahmen einseitig gepolter sogenannter Experten zurückzuführen.
Die Realität zeigt, dass diese Berechnungen in der Regel falsch sind, siehe Freihandelsabkommen im Südamerikanischen Raum.
Eine weitere sehr gute Kritik wurde von der Friedrich Ebert Stiftung veröffentlicht: TTIP, Freihandel und wirtschaftliche Entwicklung

Schlimmste Konsequenzen


Durch Freihandelsabkommen können schon heute Schiedskammern, die nicht unserem Rechtssystem unterliegen, darüber entscheiden welche Gesetze in Staaten zulässig sind und welche nicht. Diese Schiedsgerichte bestehen aus 3 Anwälten: Ein Anwalt wird von der Kläger- einer von der Angeklagtenseite bestimmt. Der Dritte spielt Richter, auf den Anwalt der diese Rolle einnimmt sollten sich Kläger und Beklagter einigen. Können sie sich nicht einigen, dann bestimmt der Chef der Weltbank den Pseudorichter für das Schiedsgericht. Die Hochfinanz bestimmt also, wer über Regulierungen und Verbraucherschutz in den beteiligten Ländern entscheiden darf.

TTIP:


Die Folge davon ist, dass Unternehmen gegen jegliche Gesetze klagen können, die ihren Profit einschränken könnten. Beispielsweise klagt Vattenfall wegen des Atomaussteigs gegen Deutschland auf 4,7 Mrd. Euro, in Kanada wurden Klagen wegen Nichtzulassung von Pharmapatenten anhängig. Ebenso wurde die Gemeinde James River verklagt, weil sie es wagte, dort das Fracking zu verbieten.
Ein guter Artikel des „Guardian“, der auf die Aushebelung z.B des Umweltschutzes durch die Investorenklausel hinweist und aufzeigt, dass die Beruhigungstaktik der EU nicht ehrlich ist: The Guardian

Im Januar sind nun neue Teile des geplanten Handelsabkommens geleaked.

Dabei soll z.B. die Finanzmarktregulierung unterbunden werden (Zitate aus dem Artikel von Telepolis):
Reimon zufolge hat die EU-Kommission vorgeschlagen, nicht nur die "Harmonisierung der Finanzmarktregeln", sondern auch "auch alle zukünftigen Regulierungen", der Kontrolle durch die Parlamente der USA und der EU-Mitgliedsländer zu entziehen und sie in die Hände eines regelmäßig tagenden "gemeinsamen Forums" zu legen.

Außerhalb des Bereichs Finanzmarktregulierung sollen Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) nach neue Gesetze, Verbraucherschutzregeln und Umweltstandards der EU, des Bundes und der Länder zukünftig vorab einer "zentralen Anlaufstelle" der USA vorgelegt werden müssen.

Das Umwelt-Institut wählt dazu sehr deutliche und treffliche Worte:
"Das jetzt bekannt gewordene Dokument bestätigt unsere Befürchtungen hinsichtlich TTIP. Dieses Abkommen greift massiv in die Souveränität unserer demokratisch gewählten Parlamente ein und gefährdet jeden weiteren Fortschritt beim Umwelt- und Verbraucherschutz."

TISA und CETA


Diese Handelsabkommen sollen Dienstleistung und Versorgung betreffen. Sie sind insbesondere geeignet, die Privatisierung der Wasser- und Energieversorgung, AbWasser usw. zu erzwingen.

Ein paar Beispiele aus Wolfgang Bergers Artikel dazu:

  • Wer eine Volkshochschule subventioniert, muss ausländische Bildungsanbieter ebenso bezuschussen.
  • Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken müssen Finanzkonzernen zum Kauf angeboten werden; eine Ausrichtung an der Gemeinnützigkeit ist Vertragsbruch.
  • Wo Feuerwehr, Rettungswesen, Gesundheitsversorgung, Wasser- und Stadtwerke, Justizvollzug, Schwimmbäder, Theater, Müllentsorgung oder Recyclingsysteme als kommunale Dienstleistung betrieben werden, kann eine Privatisierung eingeklagt werden.
  • Privatunternehmen dürfen nicht mehr rekommunalisiert werden (wie es die Berliner 2011 in einem Referendum für ihre Wasserbetriebe gefordert haben); wenn die Privatunternehmen sich nicht bewähren, dürfen nur andere private Wettbewerber eingeladen werden.
  • Fracking kann erzwungen werden, selbst dann, wenn es Mineralquellen oder die Brunnen von Brauereien durch ins Erdreich gepresste Chemikalien irreversibel verunreinigt.
  • Verbesserungen in Tierschutz, Umweltgesetzgebung oder der Kennzeichnung von genmanipulierten oder mit Chlor behandelten Nahrungsmitteln sind als „Handelshemmnisse“ anfechtbar.
  • Wenn steuerliche Regelungen oder kommunale Gebühren einen Investor hart treffen, kann er dagegen klagen.


CETA, TTIP und TISA:


Erlaubt man das Aushebeln von Recht wie in der heutigen Fassung von CETA, werden viele Gesetze zum Schutz für Verbraucher, gegen Betrug oder gegen Instabilität fallen. So könnten Gesetze zur Regulierung von Banken und Fonds zunichte gemacht werden, Qualitätsstandards von Produkten und Beratungen, ethisch bedingte Beschränkungen wie das Verbot von Stammzellen oder Gentechnik aufgehoben werden. Antirauchergesetze, Regeln für Arzneihandel, für medizinische Versorgung u.v.m. könnte durch diese Schiedsgerichte zerstört werden. Es gibt dort einen Letztentscheid ohne Möglichkeit der Berufung.
Die OECD-Verträge legen zudem fest, dass einmal abgeschaffte Handelsbeschränkungen nicht mehr eingeführt werden dürfen.

Metaebene


Das einzig wahre Ziel hinter den Freihandelsabkommen ist, dass möglichst viel Anteil an der Wirtschaft und möglichst viel Geld an große Fonds und Konzerne geleitet wird. Damit wird nicht nur stückweise der Mittelstand zerstört, es wird auch ein großer Druck auf alle abhängig Beschäftigten ausgeübt. Löhne und Arbeitsbedingungen kämen dadurch weiter unter Druck.

Dieselben, die gegen einen allmächtigen Staat wettern und vor einer Zentralisierung und einer hohen Staatsquote warnen, tun alles um alle Ressourcen bei großen Finanzkonzernen zu zentralisieren. Der Staat wird missbraucht, um die zentrale Macht von internationalen Konzernen, die keinen demokratischen Kontrollen unterliegen und denen Bürgerrechte (siehe Arbeitsbedingungen z.B. In Bangladesh) herzlich egal sind immer weiter auszubauen.

Und durch das internationale Recht wird ein zunehmend quasi rechtsfreier Raum für diese Konzerne geschaffen, der wenn das in dieser Form weiter geht letztlich die Demokratie, den Rechtsstaat und jegliche soziale Standards aushebelt.