Aus der Beitragsreihe alternative Wirtschaftssysteme hier eine Kurzüberischt und -kritik bezüglich des „Warengeldes“.
Samirah Kenawi hat sich äußerst intensiv mit der Geschichte des Geldes und den verschiedensten Zahlungsarten beschäftigt. Ein historisches Konzept war, dass der Händler – wenn jemand etwas kaufte – eine Kerbe in ein Holz schnitzte. Sie wurde wieder gelöscht, wenn der Kunde etwas an den Händler lieferte. Dieses Kerbholz-Prinzip liegt auch ihrem Warengeldkonzept zugrunde.
Diesen Text hat der Autor vor längerer Zeit für eine Arbeitsgruppe erstellt und erfüllt nicht den Anspruch an Stil wie die anderen Artikel, kann aber für Interessierte eine gute Informationsquelle sein. Deshalb hier die Veröffentlichung.
Siehe Buch: Kenawi, Samirah, 2009, „Falschgeld – Die Herrschaft des Nichts über die Wirklichkeit“, EWK-Verlag, Kühbach-Unterbernbach und Homepage: Falschgeldsystem.de
Das Konzept kurz und vereinfacht:
- Geldschöpfung erfolgt bei dem neuen System durch Kredite, ausschließlich an Warenhändler. Diese sind persönlich für Kreditausfälle haftbar.
- Neues Geld entsteht dann, wenn Warenhändler einkaufen. Dadurch bringt er immer die notwendige Menge Geld in Umlauf, nicht zu viel und nicht zu wenig.
- Zusätzlich soll es Spargeld für Kreditbedarf, Konsumkredit in einem separaten Sparkassensystem geben.
- Kreditvergabe dieses Spargeldsystems erfolgt ausschließlich aus Geld, das im Warenlager-System entstanden ist. Sparkassen schöpfen selbst kein Geld sondern vermitteln Anlage- und Kreditbedarf.
- Bei Sparvermögen >2,5 des monatlichen Durchschnittskonsum, wird eine Sparergebühr fällig -> So soll eine Obergrenze für Sparvermögen geschaffen werden. Es ist sozusagen eine Begrenzung auf ein „natürliches“ Geldvermögen im Gegensatz zu heutigen z.Tl. übermenschlichen Geldvermögen.
Positiv:
- Einige der Analysen decken sich mit denen anderer Experten, die die Kreditgeldschöpfung in ihrer Betrachtungen einbeziehen.
- Geldschöpfung konsequent an Warenwertschöpfung koppeln, um Geldfluss zu kontrollieren, konstant zu halten (6.1) ist grundsätzlich positiv zu sehen, es würde eine Deckung mit realen Werten bewirken statt mit z.B. Golddeckung, die rein willkürlich ist und anders wächst wie die Volkswirtschaft.
- Mit dem Warengeldkonzept bleibt Geld real gedeckt, virtuelle Geldmengen und virtuelle Geldgeschäfte werden damit weitgehend vermieden.
- Geldschöpfung hat keinen Eigner mehr, sie bezieht sich auf Sachwerte, die weitergegeben werden. Damit wäre auch das Thema Gewinn aus Zins aufgrund Geldschöpfung außen vor.
- Ein kontinuierlicher Geldfluss ist als Ziel (wobei Schwankungen in der Natur des Menschen liegen und solange sie in einem Rahmen bleiben kein Problem darstellen (Phasen des hart Arbeitens, dann wieder ausruhen)
- Eigentum an Nutzungsrechte koppeln ist sinnvoll (wie wird das in Unternehmen angewendet?)
- Geld als gegenseitige Verpflichtung zu sehen wäre ein möglicher Ansatz
- Begrenzung Eigentum ist ganzheitlich gesehen sinnvoll
- Der Bankor wird eingebaut und erklärt (Keynes Währungstauschmodell)
Kritik:
- zu 5.2: Das Recht des Früheren muss insofern gewahrt bleiben, als dass, wer investiert diese Investition auch abbezahlen muss. Es muss ein Unterschied bestehen zwischen jemand, der ein Restaurantgebäude aus eigenen Leistungen bezahlt hat und jemand, der eines finanziert, das aus Leistungen anderer entstanden ist.
- zu 6.1 Strikt an real vorhandene Warenlager koppeln:
- Was ist mit Immobilien? Wie wird das als Warenlager definiert? Was ist mit Dienstleistungen usw.? Dafür steht „kein“ Geld zur Verfügung bzw. dem steht kein Geldvermögen gegenüber. Mit Waren in Privatbesitz, Verkauf auf eBay, …?
- Was, wenn die Warenlager voll sind, weil kein Konsum gebraucht wird? Wie geht man mit der Rezession um?
- Eine Verbindung von Leistung und Gegenleistung wird damit nicht geschaffen, da viele Geschäfte völlig unabhängig von diesem Händler laufen. Das Ziel, die Verbindung zu schaffen, wie zu Kerbholzzeiten ist damit nicht erreicht, es bleibt bei der Anonymität und Universalität und auch mental wird hier nicht viel passieren.
- Warum strikt, mit Inventuren und Centbeträgen, warum nicht einfach an die statistisch ermittelte Wertemenge der Volkswirtschaft koppeln? Das ist einfacher, flexibler, freier, Datenschutz kann dabei mehr gewährleistet werden, …
- Durch die strikte Kopplung von Geld an Warenbestände wird ein Geldmangel geschaffen, der künstlich die Wirtschaft in Mangelsituationen bringt. Dies ist nicht notwendig.
- Geld hat keine Handbremse der Wirtschaft zu sein sondern soll umlaufen, bis die Bedürfnisse gedeckt sind.
- Wenn Geld konstanten Wert hat, dann wird es gehortet. Entsprechend wird Geld aus dem Kreislauf genommen, es steigt im Wert. Deshalb wird es dann noch mehr gehortet. Das ist ein altes Problem, das in eine Wirtschaftsdepression führt.
- zur Geldschöpfung durch Warenhändler: Der Warenhändler will auch Geld verdienen, zahlt auch hohe Kontoführungsgebühren und trägt das Risiko -> braucht Gewinnspanne -> es ist zu wenig Geld in Umlauf. Es gibt auch eine Zeitverzögerung zwischen Einkauf von Waren und verfügbarem Einkommen der Beschäftigten in dem Lieferunternehmen, in Staat usw.
- Wenn den Warenhändler eine Spanne gewährt wird, dann durch Vorgaben für ihre Handelsspanne usw. statt freier Wettbewerb, keine Branchenunterscheidung usw.
zum Spargeldkonzept als Ergänzung zur Warengeldschöpfung:
- Die Sparvermögen gehen zur Sparkasse. Was aber wenn kein oder zu wenig Kredit genommen wird? Dann wird das Geld aus dem Kreislauf genommen, es kommt zur deflationären Abwärtsspirale. Es stehen ständig mehr Waren auf Lager, als verkauft werden können.
- zu 6.3: Im Prinzip richtig, dass Horten eingeschränkt sein muss und Sparen nicht zur Angstabsicherung dienen soll, doch das ist so nicht sichergestellt.
- zu Obergrenze individuell 2,5faches der monatlichen Gesamtausgaben, dann Spargebühr:
- Ermittlung erfordert, dass alle Umsätze über Girokonto erfolgen, was aus Datenschutzgründen abzulehnen ist.
- Unsinnig, wenn jemand z.B. auf ein Haus spart, dann sinkt Konsum und Person darf immer weniger sparen.
- Anlage von Geldern, z.B. in Aktien, wird nicht erfasst, nur Kontenstände (M1). Damit wird die Spargebühr umgehbar.
- Bei Anlage in Sachvermögen wird Obergrenze des gebührenfreien Sparbetrags immer weiter nach oben verschoben, während gleichzeitig das Gesamtvermögen steigt. -> Mechanismus greift nicht wie gewünscht.
- Obergrenzen werden nicht durch freien Prozess definiert sondern vorgegeben (vgl. Kommunismus).
- Es wird formuliert, dass ein Zins um 0% erreicht werden soll, es ist aber kein Mechanismus da, der dazu führen würde.
- Wer bestimmt, welche Guthabenhöchstbeträge gesetzt werden und wie hoch der Zins / die Gebühr darauf ist? (S. 237) Das ist kein markttechnischer sondern ein zentralistischer Vorgang, der zu vermeiden ist, wenn es geht.
- Das formulierte Ziel, Spargeld in Konsumzwang zu bringen (S. 234), ist aus Nachhaltigkeitsgründen so nicht zu unterstützen (Ressourcenschonung, Umweltschutz).
- ein Dogma des kontinuierliches Wirtschaftens kann auch zum Konsumzwang führen, s.o.
- Wodurch ist der Investitionsbedarf ermittelt, wodurch begrenzt (S. 237)? Wer bestimmt das? Wieder kein marktwirtschaftlicher Mechanismus.
- zu 6.4: Inumlaufbringen überschüssiger Sparguthaben durch den Staat:
- Durch welche Mechanismen soll das gehen? Kauf von Staatsanleihen? Willkür, entscheidet jeder Sparer für sich, gibt es eine Volksabstimmung oder entscheidet der Staat einfach selbst darüber? Alle Lösungen sind nicht markttechnisch.
- zu 6.5: Quasi-Verbot von Wertpapieren: Das schafft ein Problem des Eigentums an Unternehmen. Dann kann es keine geteilte Eignerschaft mehr geben, also werden wieder Einzelpersonen damit reich bzw. ihnen gehören die Ressouren. Das Eigentum an Unternehmen wird in diesem Modell insgesamt zu wenig, wenn überhaupt, betrachtet.
- Internationale Finanzgeschäfte ermöglichen jederzeit, Spargebühren oder anderen Regeln zu entgehen. Es bedürfte einer sehr weitgehenden Einschränkung internationaler Wirtschaftsbeziehungen, damit es überhaupt funktionieren kann.
- Menschen auf ein einziges Konto im Geburtsland zu begrenzen ist weltfremd und hebelt auch den Wettbewerb zwischen Banken aus. Und es schließt Bargeldverwendung usw. aus, was wie schon erwähnt datenschutztechnisch problematisch ist.
- Es wird behauptet, dass marktwirtschaftlich die Unterschiede in Gehältern/ Löhnen reduzieren würden, kann so nicht bestätigt werden, im Modell ist dafür kein Mechanismus vorhanden.
- Betrachtungen zum Arbeitsmarkt fehlen weitgehend.
- Die Zusammenhänge des internationalen Währungsmarktes werden falsch dargestellt. Behauptung: Ein Wechselkurs auf Basis der Durchschnittseinkommen wäre sinnvoll, weil sinkende Löhne eine Währung aufwerten würden (S. 241). Das Gegenteil ist jedoch der Fall.
- Es wird behauptet, es wäre gut, wenn sich hohe Arbeitsproduktivität nicht mehr in Wechselkursen niederschlagen würde, wäre positiv (S. 241). Auch hier ist das Gegenteil der Fall.
- Einen Abfall- und Recyclingkreislauf zusätzlich zum Warengeldkreislauf einzuführen halte ich für ein undurchführbares Konzept. Gar nicht gefällt mir auch, dass auch hier „internationale Gremien“ über Zuteilungen entscheiden sollen (Planwirtschaft) statt ein Marktmechanismus.
- Die Fragen der Nachhaltigkeit, Naturschutz, Wahrung der Menschenrechte und Schutz der Ressourcen werden nahezu nicht beantwortet.
Fazit:
Es gibt darin einige Übereinstimmungen in der Analyse der Problematik. Die Lösungen sind aber zu restriktiv, unmarktwirtschaftlich und führen zu Datenschutzproblemen, starken Einschränkungen im internationalen Handel, Freiheitsrechten usw. und es besteht die Gefahr von geldwirtschaftlich verursachten Wirtschaftskrisen.
Das „Fließende Geld“ oder Umlaufsicherungsgeld erscheint hier erheblich einfacher und praktikabler, erst recht das Wertschöpfungsentgelt.
Bei diesem Konzept fehlen sehr viele gesamtwirtschaftliche Betrachtungen odre sie bleiben unerwähnt.
Es macht aber Sinn, Überlegungen daraus in Zukunftslösungen einzubeziehen.
Wir praktizieren seit 15 Jahren eine Variante, mit denen wir keine Probleme haben.
interessant!
Allerdings erkenne ich beim Überfliegen Ihrer Webseite nicht so große Ähnlichkeiten. Sie betreiben ja eine Art Geldstreuung, das Warengeld ist ein Kredit von Händlern, der wieder erlischt, wenn das Geld bei Käufen zurückfließt.
Zudem sind die Anforderungen an Regiogeld, das lokal begrenzt ist, meist Euro-gleich als Parallelwährung eingesetzt wird und nur partielle Auswirkungen auf die Ökonomie und Märkte hat deutlich geringer, als wenn man es als echte Landeswährung einsetzen würde.
In der Bewertung hier geht es um das Warengeldkonzept in seiner Auswirkung auf die Volkswirtschaft und alle Marktarten, die systemischen Effekte, Nutz- und Nebenwirkungen.