Effizienz - welche Effizienz? Ressourceneffizienz? Kapitaleffizienz? Werteeffizienz?

Niedrige Löhne stoppen Innovation – Falsche Effizienz

Niedrige Löhne stoppen Innovation

Wie falsche Effizienz unsere Gesellschaft zerstört und wie wir das verändern können

Die Wirtschaftskorrespondentin Ulrike Herrmann hat in ihrem Buch „Der Sieg des Kapitals“ (Rezession aud den Nachdenkseiten) auf einen ungesehenen Aspekt unseres Wirtschaftssystems hingewiesen: niedirge Löhne verhindern Innovation! Im Folgenden finden Sie die Zusammenhänge und wie dieser Gedanke konstruktiv weitergedacht werden kann. Und Sie erfahren, wie wir ein besseres Wirtschaftssystem schaffen können.

Ulrike Herrmann schreibt: „Nicht durch niedrige Löhne wird der Kapitalismus angetrieben, sondern durch hohe. Nur wenn die Arbeitskräfte teuer sind, lohnen sich technische Innovationen, die die Produktivität steigern und damit Wachstum erzeugen.“ [S.44] 

Als Beispiel führt sie Bangladesh an, wo immer noch größtenteils per Hand gearbeitet wird und nicht per technologisch fortgeschrittener Maschinen. Dort könnte man laut Herrmann durchaus westliche Technik einsetzen oder „stehlen“, es ist aber nicht rentabel, weil Arbeit dort aufgrund niedriger Löhne billiger ist als diese Technik. Erst wenn der Einsatz von Produktivitätsmaßnahmen wirtschaftlich wird, werden sie eingesetzt.

Kann also Effizienz durch niedrige Löhne erreicht werden, fehlt der Anreiz für die Investition in andere „Produktivitätsmaßnahmen“. Damit hat sie sicher recht, doch es lohnt sich, den Denkrahmen hier auszuweiten, denn dann wird auf einfache Weise klar, was an diesem Teil der Wirtschaftstheorie falsch ist und wie es geändert werden kann.

Weitergedacht: Erfolgsfaktoren heute

Die Hauptwerte des heutigen Wirtschaftssystems sind quantitatives Wachstum und Effizienz. Daraus abgeleitet kommen noch Konkurrenz und Produktivität als Weg zur Effizienz hinzu.

Das Konkurrenzprinzip sorgt dafür, dass die Unternehmen mit der größten Effizienz die höchsten Gewinne und niedrigsten Preise erreichen (wenn wir die Marketing-Einflüsse weglassen). Wie wird aber die Effizienz, die größte „Wirtschaftlichkeit“ erreicht?

Wirtschaftlichkeit = Ertrag / Aufwand   [Aufwand ≅ Kosten]

Wenn wir davon ausgehen, dass Unternehmen mit gleichwertigen Produkten dieselben Einnahmen pro verkaufte Ware erzielen, dann ist der Aufwand also der entscheidende Faktor für die Effizienz. Dass dabei ein Problem entsteht wird klar, wenn wir den Aufwand, also die Kosten auflisten:

  • Arbeitslöhne und -gehälter (im Regelfall der größte Einzelposten)
  • Steuer & Sozialabgaben (volkswirtschaftlich 1/3 der Kosten)
  • Kapitalkosten + Pacht (volkswirtschaftlich ebenfalls 1/3 der Kosten)
  • Kosten für Maschinen & Anlagen (auch: Kosten für Erfüllung von Umweltstandards, Arbeitsergonomie usw.; teilweise in Kapitalkosten verrechnet)
  • Betriebskosten (Energie usw.)
  • Verwaltungskosten (größtenteils in Löhnen verrechnet)

Falsche Effizienz

Es ist also das Unternehmen am „effizientesten“ und erfolgreichsten, das:

Effizienz - welche Effizienz? Ressourceneffizienz? Kapitaleffizienz? Werteeffizienz?

Welche Effizienz brauchen wir? Bildquelle: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1027-008 / CC-BY-SA 3.0

  • die geringsten Löhne zahlt -> reduziert die Kaufkraft in der Volkswirtschaft
  • die geringste Steuer zahlt -> Anreiz für Umgehung, reduziert Infrastruktur, Bildung, Famileinschutz
  • die geringsten Kosten für Umweltschutz und Arbeitsbedingungen -> schädigt Nachhaltigkeit
  • die geringsten Kapitalkosten hat -> hier ist sehr viel Raum für ECHTE Verbesserung
  • die geringsten Energiekosten hat -> wichtig, dass richtig verrechnet, z.B echte Kosten für Atomkraft
  • die produktivsten Methoden und Anlagen hat -> das ist der Kern, um den es der Theorie nach gehen sollte

Die rot markierten sind schädlich für unsere Volkswirtschaft und vor allem für unsere Unternehmenswerte und unsere gesellschaftlichen Werte.

Falsche Anzeize

Sie sehen: Die heutige Messung von Effizienz sorgt für völlig falsche Anreize in unserer Volkswirtschaft. Wenn die Unternehmen die höchsten Gewinne erzielen, die die niedrigsten Löhne zahlen, den schlechtesten Umweltschutz betreiben und am besten die Steuer umgehen (siehe Amazon, Apple, Starbucks & Co.), dann hat das eine zerstörerische Wirkung auf unsere Gesellschaft, schädigt unsere „westlichen Werte und unsere Zukunftsfähigkeit.

Ulrike Herrmann hat also recht: niedrige Löhne sorgen dafür, dass der Druck, echte Produktivitätssteigerung zu erreichen, sinkt und ist somit das verhindert, was laut Wirtschaftstheorie wichtig ist: Innovation. Dazu kommt, dass niedrige Löhne dazu führen, dass die Arbeitenden weniger kaufen können. Das wiederum reduziert die Einnahmen der Unternehmen und bremst daher das Wirtschaftswachstum. Auch da widerspricht die Wirtschaftslehre sich selbst.

Doch nicht nur das: Auch Umweltschutz, Arbeitsbedingungen und andere Bereiche der Nachhaltigkeit werden durch unser heutiges Konkurrenzmodell geschädigt. Es gibt einen großen Anreiz für Steuerbetrug und Unternehmen verschwenden Ressourcen, die Steuerlücken finden und über komplexe Strukturen ausnützen, wie sie niedrigere Löhne durchsetzen können, wo sie mit weniger Umweltmaßnahmen produzieren können. All dieser Aufwand schädigt unsere Gesellschaft und hat daher mit Effizienz im eigentlichen sinn des Wortes nichts zu tun.

Falsche Produktivität

Produktivität ist definiert als der „Output“, also die Menge an produzierten Waren pro Arbeitsaufwand, also hauptsächlich Arbeitsstunden. Steigern wir die Produktivität, dann muss entweder die Warenmenge immer stärker wachsen oder die Arbeitsstunden müssen verringert werden. Das Ergebnis sind Wegwerfwaren und Arbeitslosigkeit. Was für eine Verschwendung!

Echte Effizienz und Effektivität

Effektivität ist der Grad, in dem ein angestrebtes Ziel erreicht wird. Wenn wir Wirtschaftswachstum erreichen wollen, dann ist die Reduktion von Löhnen kontraproduktiv, weil sie den volkswirtschaftlichen Umsatz verringern. Wenn unser angestrebtes Ziel eine bessere Zukunft ist, dann ist die Reduktion von Umweltschutz und Arbeitsbedingungen ebenfalls eine schlimme Entwicklung und hat mit Effektivität rein gar nichts zu tun. Ob unser Wirtschaftssystem Effektiv ist oder nicht hängt also elementar davon ab, woran wir es messen.

Wir müssen unser Wirtschaftssystem daran messen, wie sehr es unsere Gesellschaftlichen Werte verwirklicht. (Umfassende Herleitung und Argumentation in „Goodbye Wahnsinn“) Wir brauchen  also eine „Werteeffizienz“

Und erst, wenn wir die Effektivität auf die richtigen Ziele ausgerichtet haben., macht das Messen von Effizienz (Ergebnis pro eingesetzte Mittel) überhaupt Sinn.

„There is surely nothing quite so useless as doing with great efficiency what should not be done at all.“
[Peter Drucker, Managing for Business Effectiveness. In: Harvard Business Review. Nr. 3, Mai/Juni 1963, S. 53–60.]

Lösung und Umsetzung

Wie immer, wenn eine Ursache einmal wirklich verstanden ist, ist auch eine – zumindest inhaltlich einfache – Lösung möglich. Wir müssen also dafür sorgen, dass nur die Effizienzfaktoren zu höheren Gewinnen führen, die gesellschaftsnützlich sind, also hohe Methodenproduktivität, niedriger Energie- und Ressourcenverbrauch.

Und das geht, indem wir schädliches Verhalten a) transparent machen und b) verteuern. Beides wird mit dem Werte-Siegel erreicht. Wer unterdurchschnittliche Löhne zahlt, wird herabgestuft, wer sich umwelt- und ressourcenschädlich verhält, wird ebenfalls herabgestuft. Wer überdurchschnittliche Arbeitsentgelte bezahlt, die höchsten Umweltstandards verwirklicht, am wenigsten Energie oder Rohstoffe verschwendet, der zahlt den geringsten Steuersatz und hat das höchste Ansehen bei den Käufern, macht den größten Umsatz.

Mehr zum Werte-Siegel in diesem Artikel und in der Online-Zukunftswerkstatt.

Aufruf

Liebe Wirtschaftswissenschaftler, Politiker und Journalisten, die dies lesen: Ich denke, inzwischen ist die Botschaft so einfach und verständlich geworden, dass wir alle sie verbreiten können: Wir müssen unser Wirtschaftssystem an dem Messen, was es hervorbringt also seine Effizienz als die Verwirklichung unserer gesellschaftlichen Werten definieren.

Wenn Sie Zweifel oder Gegenargumente haben, kontaktieren Sie mich gerne. Ich bin immer offen und stehe Rede und Antwort. Wir alle stehen mitten in fatalen gesellschaftlichen Veränderungen, die immer schlimmere weltweite Effekte hervorbringen und wir alle stehen in der Verantwortung, jetzt endlich die Breite der Bevölkerung aufzuklären und die Wende zu Nachhaltigkeit und einer progressiven Zukunftsgestaltung zu schaffen. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass es in der Intellektuellenwelt verpönt ist, Lösungen anzubieten, aber:

Wer keine Vision hat, der folgt automatisch den Visionen anderer. Politiker wie Merkel und Journalisten, die etablierten, bereits widerlegten Theorien folgen, all die Fahnen im Wind, folgen letztlich den Vision der Strategen von Goldman Sachs, Deutsche Bank & Co. Kein Mensch mit einem gesellschaftlichen Verantwortungsgefühl kann das ernsthaft wollen, denn echte Werte sind diesen Strategen gleichgültig (siehe beispielsweise hier und hier)!

 

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About CU_Mayer

Über den Autor Nach Beginn im kaufmännischen Zweig studierte Dipl.-Ing. (FH) Christoph Ulrich Mayer, geboren 1968 in Krumbach (Schwaben), Nachrichtentechnik. Er arbeitete mehrere Jahre als Ingenieur und Projektleiter, bevor er sich 2001 mit Ingenieur-Dienstleistung, Unternehmensberatung & Coaching selbständig machte. Seit ca. 15 Jahren arbeitet er als Systemischer Coach. In dieser Zeit lernte er die unterschiedlichsten Denkweisen und Wertesysteme, auch anderer Kulturen, kennen und entwickelte somit einen Weitblick für gesellschaftliche Zusammenhänge. Durch die Beratungsarbeit in Unternehmen kennt er zudem viele Hintergründe, die die Wirtschaftsprozesse besser verstehbar machen. In jahrelanger intensiver Arbeit verfasste er das Buch "Goodbye Wahnsinn - vom Kapitulismus und Kommunismus zum menschenGerechten Wirtschaftssystem". Auf unorthodoxe Weise setzt er sich mit Lehren von Adam Smith bis Karl Marx und mit Sichtweisen von Norbert Blüm bis Sarah Wagenknecht auseinander. Sein Anliegen ist, mit seinen Erkenntnissen und Lösungen zu zeigen, dass wir eine bessere - eine nachhaltigere - Zukunft wählen können.

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