Vorab: Katalonien 2017 und die spanische Revolution 1936
In Katalonien findet derzeit eine Bürgerbewegung für die Unabhängigkeit der Region statt. Unser Qualitätspresse stempelt das als den Versuch einer wirtschaftlich starken Region ab, Ausgleichszahlungen loszuwerden. Sie vergisst aber zu erwähnen, dass Barcelona eine ganz andere Tradition hat, die hier eine große Rolle spielt. Die Stadt war nämlich 1936 das Zentrum der spanischen Revolution des Anarchismus, einer Gesellschaftsform, die damals als Ideal erfahren wurde und viele große Geister von Hemmingway über Orwell bis hin zu Willy Brandt inspirierte. Mehr dazu unten. Heute fühlen sich viele Spanier durch ihre Regierung betrogen aber nur die Katalanen haben den Mut, dagegen aufzustehen, das ist der wahre Hauptgrund für das was aktuell passiert. Es ist Ausdruck des Widerstands gegen eine arrogante Machtelite in der EU und einigen ihrer Staaten, genauso wie der Brexit.
Eine weitere Frage sollte gestellt werden: Was wiegt höher, das Völkerrecht, das das Recht auf Selbstbestimmung garantiert, oder das spanische Recht, das eine Separation nicht duldet? Die EU-Politiker haben Angst vor dem Verfall der EU und stellen sich auf die Seite Spaniens. Aber nicht die Katalanen betreiben die Spaltung Europas, sondern sie selbst.
Kann eine ideale Gesellschaft überleben? Ein Ansatz, eine theoretische Grundlage dafür zu bilden
Die meisten Menschen sind unzufrieden mit dem Zustand unserer Gesellschaft und mit der Entwicklung in der Welt. Ungerechtigkeit, immer mehr Gewalt bis hin zu Terror und Amokläufen, ständiger Verrat der Ideale und Werte sind täglich spürbar und füllen die Nachrichten.
Wenn es aber darum geht, ein gesellschaftliches Ideal zu schaffen, dann scheitert es im Wesentlichen daran, dass die Mehrheit der Menschen daran zweifelt, dass es funktionieren kann. Es gibt beispielsweise mehrere Vorschläge, wie man ein Wirtschaftssystem anders gestalten kann aber die Angst, den Wohlstand und die Konkurrenzfähigkeit zu anderen Ländern wie China zu verlieren, ist zu groß.
Unser menschliches Bedürfnis ist, in Freundschaftlichkeit und Liebe mit anderen zusammenzuleben. Unsere Wirtschaftstheorie lehrt uns, dass nur aus Konkurrenz Wachstum und Überlebensfähigkeit entsteht. Und Kriege und Terrororganisationen wie der IS zeigen uns, dass wir schnell verlieren könnten, wenn wir unsererseits auf Durchsetzung und Gewalt verzichten. Wir vertrauen unseren Idealen nicht und gehen lieber den Weg der Angst, daraus resultierend Sicherheit und Kontrolle. Weder der eine, noch der andere Weg ist jedoch für sich genommen einer, der in eine positive Zukunft führen würde.
Was wir zur Überwindung brauchen
Die Zweifel und Ängste kommen jedoch aus einem Mangel an Klarheit, aus einer ungenügend tief gehenden Betrachtung. Albert Einstein wurde einmal gefragt, was der Unterschied zwischen ihm und anderen Wissenschaftlern wäre, der ihn so heraushebt. Er erwiderte, die meisten Wissenschaftler würden nach einer Stecknadel im Heuhaufen suchen. Und wenn sie sie gefunden hätten, würden sie aufhören zu suchen. Er würde weitersuchen (bis er alle gefunden hat). Genau das ist das Denken, das uns aus der Sackgasse herausführen kann.
Aus der japanischen Qualitätsphilosophie kommt die „5W-Technik“. Tritt ein Problem auf, so fragt der Qualitätsmanager in 5 Ebenen hinein: Warum? Die Erfahrung zeigt, dass für Technik und Qualität 5 Ebenen reichen. Aber je nachdem auf welcher Problemtiefe man einsteigt, können auch mehr als 5 Fragestufen hilfreich sein. Beispielsweise sind die Kosten für Servicekosten viel höher als bei der Konkurrenz. Warum? Weil die Ausfallraten wesentlich höher sind. Warum? Weil eine Taste des Geräts häufig bricht. Warum? Weil der Druckstift nicht breit genug ist. Warum? Weil der Konstrukteur ihn zu dünn entworfen hat. Warum? Weil er die Stabilität nicht berechnet hat. Warum? Weil er das nötige Wissen nicht hat. Warum? Weil er aufgrund von Ressourcenengpässen seit 3 Jahren keine Weiterbildung machen konnte und auch aus Kostengründen keine Simulationssoftware angeschafft wurde. Warum? Weil die geplanten Verkaufsstückzahlen nicht erreicht wurden. Warum? Weil die Produkte nicht marktgerecht genug entworfen wurden. Usw.
Auf fast jeder Ebene kann man Lösungen finden. Aber je tiefer die Ebene der Lösung ist, desto umfangreicher und breiter wirken auch die Maßnahmen. Diese Prinzipien können wir auch auf die Entwicklung unserer Gesellschaft und so viel Anderes anwenden. – Let’s do it right now!
Die Gesellschaft, die das menschliche Ideal fast verwirklicht hatte
Zur Beschreibung dieser Zeit gibt es schon eine unglaublich gute Arbeit:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=34258#more-34258
„Orwell hatte nach seiner Ankunft in Barcelona den Eindruck: „Vor allen Dingen aber glaubte man an die Revolution und die Zukunft. Man hatte das Gefühl, plötzlich in einer Ära der Gleichheit und Freiheit aufgetaucht zu sein. Menschliche Wesen versuchten, sich wie menschliche Wesen zu benehmen und nicht wie ein Rädchen in der kapitalistischen Maschinerie.“ http://www.nachdenkseiten.de/?p=34258#more-34258 … „Die Landbevölkerung eignete sich ohne Zwang und Befehl von oben den Boden an. Ihr Programm: die Enteignung des Landes, die Abschaffung des Geldes, die gemeinsame Arbeit von Männern und Frauen ohne Besitz und Entgelt, die, was sie brauchten, dem Dorfladen entnahmen. Augustin Souchy hegte die Vermutung, dass, wäre der Bürgerkrieg von den freiheitlichen Sozialisten/Anarchisten gewonnen worden, der spanische Kollektivismus zu einem gangbaren Dritten Weg neben Privatkapitalismus auf der einen und Staatskapitalismus auf der anderen Seite hätte werden können. Gegen diese Möglichkeit haben sich, wie wir noch sehen werden, alle verschworen. Wenn es hart auf hart kommt, ist den meisten der Faschismus doch lieber als die Herrschaft des Volkes.“
… Bei aller Sympathie für die oft jugendlichen Anarchisten verzweifelte George Orwell manchmal an deren Disziplinlosigkeit und Unpünktlichkeit. Vom Exerzieren in der Kaserne berichtet er: „Disziplin existierte nicht: wenn ein Befehl einem Mann nicht gefiel, trat er aus dem Glied und argumentierte heftig mit dem Offizier.“ Die Rekruten waren sechzehn- oder siebzehnjährige Jungen aus den Armenvierteln Barcelonas. „Wenn sie wussten, aus welchem Ende des Gewehrs die Kugel kam, so war das schon ihr ganzes Wissen.“
… Das zentrale Manko des Anarchismus besteht in seiner Geringschätzung der Eroberung der politischen Macht und seiner Scheu vor dem Umgang mit Macht und Herrschaft. Er strebt nach Machtlosigkeit in einer durch und durch vermachteten Welt. Als CNT und FAI nach wenigen Tagen des Kampfes in Barcelona de facto die Macht zufiel, verstanden sie es nicht, sie zu ergreifen und sinnvollen, gestalterischen Gebrauch von ihr zu machen. Leo Trotzki kommentierte aus der Ferne seines Exils: „Wer auf die Eroberung der Macht verzichtet, schanzt sie denen zu, die sie immer schon gehabt haben, nämlich den Ausbeutern.“
… Die Niederlage der Linken im Spanischen Bürgerkrieg geht nicht nur auf das Konto der Übermacht der Feinde, sondern auch auf das eines unseligen, selbstmörderischen Bruderkriegs.
… Man kann die Hoffnung hegen und in Ansätzen auch bereits beobachten, dass die Auflösungserscheinungen des kapitalistischen Typus der Industrialisierung und Modernisierung zu einer Wiederbelebung der Idee einer solidarischen Ökonomie und der Selbstverwaltung führen werden.
Und es gibt eine gute Dokumentation über diese Zeit:
Was können wir daraus ableiten?
Die anarchistischen Strukturen haben in Barcelona für eine gewisse Zeit funktioniert. Die Gleichheit und Brüderlichkeit hat auch unter schwierigen äußeren Bedingungen eine Gesellschaft nahe am menschlichen Ideal geschaffen. Doch die spanische Revolution wurde durch Vordenker und charismatische Menschen getragen und durchgeführt. Im Ganzen konnte die Gesellschaft, die Macht in jeglicher Form ablehnte und wenig Disziplin kannte, sich nicht aufrecht erhalten Die anarchischen Sozialisten wurden von allen Seiten angegriffen und die Abwesenheit von Ordnung, Struktur und Führung führte dazu, dass diese Gesellschaftsform den Faschisten und Kommunisten unterlegen war und nach kurzer Zeit wieder verschwand.
Den Mitgliedern der Gesellschaft fehlte es an Disziplin, wie viele Zeitzeugen berichten. Doch das ist nicht der letztendliche Grund. Vielmehr ist der Grund für fehlende Disziplin ein Mangel an Vertrauen in das was zu tun ist und ein Konflikt mit Führung und Macht als Solches. Dahinter wiederum steht ein Mangel an Erkenntnis.
Problem: Kompetenz muss sich durchsetzen, aber wie geht das ohne Hierarchie?
Keine Gesellschaft und keine Organisation kann auf Dauer bestehen, wenn sich Kompetenz nicht durchsetzt. In Hierarchischen Systemen führen einige Wenige alle anderen und so entsteht eine Ausrichtung auf Ziele der Führungspersonen. Ob diese Ziele kompetent gewählt sind oder nicht und wie gut die Teilnehmer die Ziele mittragen und umsetzen, bestimmt den Erfolg dieser „Gemeinschaft“. Aber selbst wenn die Anführer nicht sehr kompetent sind, so arbeiten doch alle in eine ähnliche Richtung und so entsteht eine gewisse gemeinsame Kraft und Macht. Jedoch werden die Mitglieder der Gemeinschaft einen ständigen Verstoß gegen ihre Werte erleben.
Wenn die Gemeinschaft die Führungspersonen austauschen kann, wenn sie zu wenig Kompetenz haben oder die Ziele nicht erreicht werden oder die Ziele der Führungsperson nicht mit dem aller anderen kompatibel sind, dann ist die Chance größer, dass das Kollektiv „erfolgreich“ ist. Und auch dann überleben wird, wenn sie in Konkurrenz mit anderen Kollektiven steht. Z.B. in Konkurrenz mit anderen Unternehmen, anderen Kulturen oder anderen Gesellschaftsstrukturen.
In einer hierarchiefreien Gesellschaft muss sich trotzdem Kompetenz durchsetzen. Das bedeutet, jemand weiß, wie man an Nahrung kommt, zeigt das den anderen und führt sie zu den Obstbäumen (diese elementare Fähigkeit ist beispielsweise Bienenstämmen zueigen, wo eine Biene durch ihren „Tanz“ den anderen zeigt, wo besondere Blüten zu finden sind). Jemand weiß, wie man Wasser findet, wählt einen Ort aus und viele andere helfen, den Brunnen zu schlagen. In einem Unternehmen weiß jemand beispielsweise, wie die Kundenbedürfnisse sind und erarbeitet mit anderen Kompetenzträgern dafür passende Produkte und Marketingstrategien. In einer Nation weiß jemand, wie eine Gesellschaft positiv zusammenleben kann und stellt zusammen mit anderen Kompetenzträgern Regeln für das Zusammenleben auf (auch Gesetze). In einer Nationengemeinschaft weiß jemand, wie Menschengruppen optimal und friedlich zusammenleben und definiert zusammen mit anderen Kompetenzträgern ein internationales Regelwerk (siehe beispielsweise Immanuel Kant „Zum ewigen Frieden“). Eine Nation ist eine durch gemeinsames Territorium, Rechtssystem, Kultur und Geschichte bestimmte Gruppe von Menschen (manche meinen, auch durch Rasse bestimmt, dieses Kriterium kann aber schon lange keine Nation mehr definieren) mit gemeinsamem Schicksal (besonders wichtiges Kriterium). Die Nation als Rassengemeinschaft zu definieren führt zu fatalen Fehlentwicklungen und ist auch nicht mehr zu schaffen, niemand wird heute mehr eine Nation mit Rassenreinheit schaffen können und es wäre auch unsinnig, weil alle Menschen eine gemeinsame genetische Herkunft haben, die vollkommen kompatibel zueinander ist und es ist inzwischen auch erwiesen, dass Unterschiede in Verhalten und Fähigkeiten nahezu nichts mit Genen, fast ausschließlich mit Erlerntem und Erfahrenem zu tun haben.
Führung ergibt sich also nicht aus einer eingeforderten Macht sondern aus der Kompetenz der Person, die einer gemeinsamen Aufgabe dient.
Förderung von Kompetenz
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist das Wachstum von Kompetenz an sich. Damit Kompetenz entstehen kann und auch in Konkurrenz zu anderen Gesellschaftsstrukturen stärker ist, muss sich jemand auf lange Sicht mit einem Thema mit möglichst großem Engagement beschäftigen. Dieser Person muss es möglich sein, aus Fehlschlägen zu lernen und daraus eine noch höhere Kompetenz zu entwickeln. Würde sie nach einem Scheitern gezwungen werden, sich aus ihrem Kompetenzfeld zurückzuziehen, gäbe es kaum einen erfahrenen Kompetenzträger in der Gesellschaft. Einzelpersonen können niemals dieselbe Kompetenz entwickeln wie eine Gruppe von Menschen, die Wissen, Erfahrungen und Methoden austauschen und sich gegenseitig befruchten. Daher ist zur Entstehung von Kompetenz auch ein möglichst großes Netzwerk notwendig. Die Vernetzung mit Menschen mit ähnlichen Aufgaben ist dafür besonders wichtig. Bei dem „interdisziplinären“ Austausch können ebenfalls tolle Erkenntnisse und neue Wege entstehen, übertreibt man es damit, wird der Fokus verlorengehen und die Kompetenz für die eigene Aufgabe eher sinken.
Konkurrenz oder Kompetenz?
Entsteht nun mit Konkurrenz mehr Kompetenz oder ohne Konkurrenz? Das ist eine spannende Frage! Mit vollem Konkurrenzdenken kann keine Vernetzung entstehen, jeder kämpft gegen jeden, Wissen wird zurückgehalten statt ausgetauscht. Wie schon im Artikel über die Evolution des Gehirns ausgeführt ist gemeinschaftliche Entwicklung das erfolgreichere Konzept. Zweifelsfrei werden also Kompetenzträger, die sich mit anderen, auch mit Konkurrenten, offen austauschen, mehr Kompetenz, ein Vielfaches an Erfahrungswerten und Methoden haben wie die, die sich gegenüber der Konkurrenz abkapseln. Gäbe es jedoch keinerlei Konkurrenz, würden sich die Wissensträger wahrscheinlich auf ihrem Entwicklungsstand ausruhen und (im Vergleich z.B. mit anderen Kulturen) an Boden verlieren. Für ein gewisses Maß an Konkurrenz spricht also vor Allem die Motivation und der Antrieb. Verzichtet man also auf Konkurrenz, so muss die Motivation aus anderen Quellen kommen. Diese könnten z.B. Freude an Wachstum, Anerkennung für Engagement, Belohnung von Weiterentwicklung usw. sein.
Wie setzt sich Kompetenz auch durch?
Wie setzt sich Kompetenz durch? Hier liegt ein weiterer Schlüssel für oder gegen den Erfolg eines Kollektivs. Folgen die Menschen den Kompetenzträgern? Folgen sie überhaupt irgendwelchen Zielen? Egal wie fähig die Mitglieder des Kollektivs im Einzelnen sind, es kann durchaus passieren, dass niemand auf sie hört.
Leider gibt es keine (mir bekannten) einfachen Erkenntnisse oder Verhaltensstrategien, die dabei helfen, Kompetenz zur Wirksamkeit zu verhelfen. Letztlich ist das eine Frage der „Vermarktung“, des Vertrauens, der Gemeinsamkeit oder Unterschiedlichkeit von Zielen, der Bewusstheit der Mitmenschen usw.
Gemeinsame Ziele: Wie werden die Ziele ausgewählt, denen die Gemeinschaft folgt?
Vertrauen: Wenn eine Biene besonders nahrhafte Blüten gefunden hat, dann fliegt sie in den Bienenstock zurück und vollführt dort einen „Tanz“, der beschreibt, wie man zu den Blüten gelangt. Die anderen Bienen fliegen dann dort hin und holen den Blütenstaub. Letztlich vertrauen die Bienen darauf, dass die Information relevant ist und stimmt. Was aber wäre, wenn sich Bienen zwischendurch einen Scherz erlauben und sie stattdessen zu einer Kläranlage schicken würden? Oder wenn inkompetente Bienen den Weg falsch beschreiben oder die Lage falsch einschätzen? Oder wenn die Biene aus egoistischen Motiven heraus bewusst ihre „Konkurrenten“ hinters Licht führt und ihnen ein fruchtbares Ziel nur vorgaukelt? Dann wäre das Vertrauen dahin und die Effizienz des Bienenstammes würde massiv sinken. In einem harten Winter würde das Volk vielleicht sogar aussterben.
Vertrauen als Schlüssel
Vertrauen ist die Basis, die wir für Führung brauchen, egal ob sich diese Führung aus Kompetenz ergibt oder aus Hierarchiestrukturen. Bricht das vertrauen weg, dann folgen die Mitmenschen den Vorschlägen nicht – oder nur mit halber Kraft.
Kann der Staat helfen oder hindert er?
Staat als Freiheitsgarant
Der Staatsforscher / Politologe Francis Fukuyama hat untersucht, wie Staaten, die Bürgern in starkem Maß Rechte übertragen und ohne Klientelismus funktionieren, „in dem nicht mehr die familiäre Herkunft, sondern Ausbildung und „Leistung“ zählen“. „als Ergebnis seiner großen, global vergleichenden Untersuchung der Entstehung von Staaten gekommen ist, sei „in mancher Hinsicht vom Standpunkt der Demokratie entmutigend.“ Denn die modernsten zeitgenössischen Bürokratien waren just diejenigen, die „von autoritären Staaten in ihrem Streben nach nationaler Sicherheit gegründet wurden.““
Das beste Beispiel ist für Fukuyama Preußen, dass seit dem friderizianischen Staat ein vorbildliches Beispiel einer modernen bürokratischen Herrschaft sei. Preußen war gezwungen, seine schwache geopolitische Stellung durch die Errichtung einer effizienten Staatsverwaltung zu kompensieren. Den Höhepunkt in dieser Entwicklung stellten die Stein-Hardenbergschen Reformen dar. Indem sie über die Aufhebung der Erbuntertänigkeit der Bauern „freie“ Lohnarbeiter schufen, institutionalisierten die Reformen für Preußen überhaupt erst den modernen Kapitalismus.
Fukuyamas Befund ist insofern ein Schreck für alle libertären Ideologen, als dass die Bilanz auf der anderen Seite ganz anders ausfällt. Länder, die sich frühzeitig demokratisiert hatten, noch bevor sie moderne Verwaltungen gründen konnten, hatten wie die USA einen klientilistischen öffentlichen Sektor entwickelt[3], den sie anschließend nur mühsam wieder in den Griff bekamen[4].
[https://makroskop.eu/2017/04/der-lange-weg-nach-daenemark/]Statistisch gesehen sind intakte Behördenstrukturen für einen intakten Staat viel wichtiger als Staatsschulden. Und die Inflationsrate ist in Ländern mit starkem Rechtsstaat geringer. https://makroskop.eu/2017/04/der-lange-weg-nach-daenemark/
Interessant ist auch, dass Wohlstand und guter Schutz des Eigentumsrechts deutlich miteinander korrelieren. Das ist auch sehr logisch: Wenn jeden Tag jemand kommen kann und mein Land, meine Maschinen, mein Haus oder meine Wertsachen beschlagnahmen oder rauben kann, dann werde ich nicht viel investieren. Und sobald an einer Stelle Wohlstand geschaffen wurde, wird sofort die Struktur, die da hin geführt hat, wieder zerstört. Ein komplexes und wettbewerbsfähiges Unternehmen beispielsweise kann nur über viele Jahre hinweg entstehen. Nach und nach werden Produktivmittel beschafft, die Beschäftigten werden gut in dem was sie tun, die Infrastruktur und Kundenstruktur entsteht. Ohne geschütztes Nutzungsrecht und persönliche Sicherheit wäre das nicht möglich.
Weitere Eigenschaften einer idealen Gesellschaft
Werte über Bedürfnisse
Jeder Mensch hat ein Gerechtigkeitsbedürfnis. Wenn die Schwester ein Eis bekommt, dann will der Bruder auch eins. Oft werden solche Bedürfnisse mit Werten verwechselt. Der Unterschied ist in einem Beispiel schnell erklärt: Wer Gerechtigkeit als Wert lebt, der muss auch für ANDERE ein Eis fordern, wenn er selbst keins bekommt. Und er muss sogar für andere ein Eis fordern, wenn er selbst eins bekommen hat und die anderen nicht.
Ein Wert ist nur, wenn wir der Überzeugung sind, dass etwas richtig ist und wir dieses zu einer generellen Regel machen. Fordern wir den „Wert“ nur für uns ein, ist es in Wirklichkeit nur Egoismus oder die Befriedigung eines Bedürfnisses. Fordern wir den Wert auch für andere ein, wenn wir selbst keine Erfüllung bekommen, ist es möglicherweise nur der Versuch, sein eigenes Bedürfnis dadurch zu rechtfertigen, dass es andere auch haben. Erst wenn wir eine Überzeugung in die Gesellschaft tragen, unabhängig davon ob unser eigenes Bedürfnis befriedigt ist oder nicht, dann ist es ein Wert.
Werte erzeugen Vertrauen
Und hier kommt der Kernpunkt, warum Werte so sichtig sind: Leben wir wirklich Werte, dann sind wir glaubwürdig und stellen in unserer Gemeinschaft Vertrauen her. Und nur wenn wir uns vertrauen, funktioniert auch Führung durch Kompetenz.
Wie kann das in die Gesellschaft gebracht werden?
Wie kann diese Erkenntnis in die Gesellschaft gebracht werden? Nun, Konfuzius hat es geschafft, dass sein aus Logik abgeleitetes Wertesystem von Kindesbeinen an und von Generation zu Generation gelehrt wurde. Durch seine Lehre und Arbeit haben sich die Verhältnisse in den Regionen und Gemeinden Chinas massiv verbessert und so setzte sich die Lehre in ganz China durch und wuchs über die Jahrhunderte. Warum sollte es nicht auch heute gelingen, ein überzeugendes Wertesystem durch positive Erfahrung und eine verständliche Theorie gesellschaftlich zu etablieren? Der einzige Grund der dagegen spricht, ist zerstörerischer Lobbyismus.
Integrität
Integrität bedeutet, dass unser Verhalten mit dem zusammenpasst, was unsere eigenen Standards sind. Es besteht eine Kongruenz zwischen unseren Werten, dem was wir sagen und dem was wir tun. Nur mit Integrität können wir als Mensch einen stabilen Selbstwert erleben. Und nur mit Integrität können wir Vertrauen zu anderen Menschen schaffen. Verstoßen wir permanent gegen unsere Werte, dann zerstört das das Vertrauen das wir selbst und andere in uns haben. Auf Länderebene ist es auch durchaus möglich, dass politische Führer skrupellos gegen Werte verstoßen, die Auswirkungen der Verstöße aber eher in bestimmten Bevölkerungsschichten spürbar werden. Oder leiden die Mitarbeiter eines Unternehmens an mangelndem Selbstbewusstsein, kann dies daran liegen, dass diese einen täglichen Verstoß gegen die vorgegebenen Unternehmens-Werte erleben.
Um das zu verdeutlichen und die Tragweite zu zeigen, hier ein Beispiel aus der internationalen Politik. Als die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948 verabschiedet wurde, war das ein Akt, der überall in der Welt Achtung hervorbrachte. Auch in Ägypten, Syrien, der ganzen islamischen Welt wurden die Menschen mitgenommen und brachten dem Westen und seinen Verfassungen, die Menschenrechte garantierten, Respekt entgegen. In so einem Umfeld haben Radikale, Faschisten und Fundamentalisten keinen gesellschaftlichen Rückhalt. Es gibt sie, sie können aber nur abseits der Gesellschaft überleben und sie finden keinen Zulauf, würden früher oder später „aussterben“.
Werte wirklich zu leben würde den Terror auf Dauer stoppen. Um unsere Glaubwürdigkeit und Integrität zurückzugewinnen, könnte wir zum Beispiel damit anfangen, den schlimmsten Verstoß gegen unsere eigenen Werte gegenüber der arabischen Welt juristisch aufzuarbeiten: den Irak-Krieg. Vor den sogenannten Anti-Terror-Kriegen war ein Angriffskrieg, und das waren beide, ein Verstoß gegen das Völkerrecht und George W. Bush als auch Tony Blair haben diese gegen alle Vernunft und Warnungen Kriege geführt. Eine integre Staatengemeinschaft UNO sowie die Judikative der Staaten müssten die rechtlichen Konsequenzen prüfen und einleiten.
Wahl der Werte
Die Welt ist voll von falschen Werten und Verhaltensstandards. Gerade aus der Religion kommen oft Verurteilungen gegen den Körper, gegen Reichtum, gegen natürliche Bedürfnisse. Diese falschen Standards führen zu permanenten Schuldgefühlen – oder wenn andere gegen diese falschen Standards verstoßen – Schuldzuweisungen an andere.
Zwischenfazit
Wie schon eingangs gesagt, kann dieser Artikel nur ein Anfang einer theoretischen Begründung sein, wie eine Gesellschaft nach menschlichen Idealen, auch in Konkurrenz mit anderen Gesellschaftsformen, funktionieren kann.
Sie sind herzlich eingeladen, dazu beizutragen und diese Anregungen an andere weiterzutragen!