Medialer Shitstorm, AFD und das Parteiengesetz oder wie man eine Partei zur rechten Schießbudenfigur macht

Man muss von Anfang an kein Fan der AfD sein. Sie begann als eine „Partei der Professoren“, die sich um die Fehlentwicklungen der Europäischen Wirtschaftsunion sorgten. Ihre Konzepte waren geprägt von der neoklassische Denkweise, die an unseren Hochschulen vorherrscht. Diese unzureichende Wirtschafts“wissenschaft“hat eine Menge mit den Problemen zu tun, in denen heute USA, Europa, insbesondere auch Griechenland, Portugal, Irland u.V.m. stecken.

Dass sie den Euro abschaffen wollten, weil dieses Konstrukt aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht falsch ist, hat dann dazu geführt, dass andere Politiker ihnen unterstellten, dass sie antieuropäisch wären. Das wiederum ist eine recht unverschämte Unterstellung, denn wer ein Konzept abschaffen will, das der Europäischen Gemeinschaft Schaden zufügt ist nicht antieuropäisch. Dass diese Unterstellung zustande kam, kann man getrost den Parteien und Journalisten zuschreiben, die den Euro als alternativlos darstellen wollen, weil dieses Konstrukt ihrer Ideologie entsprach. Dass es Alternativen auch MIT dem Euro (einiges hier aufgelistet) gab und gibt wurde öffentlich überhaupt nicht zur Diskussion  gestellt. Z.B. die Einführung eines internationalen Zahlungssystems nach J.M. Keynes (mehr dazu hier) .

Irgendwann, als die Euro-Krise mit katastrophalen Mitteln wie dem ESM abgehandelt wurde und aus dem Fokus der Bevölkerung geriet, glitt die AFD in die Bedeutungslosigkeit ab. Mit der Flüchtlingskrise wurde sie aber plötzlich zu einer teilweise stärkeren politischen Kraft als die SPD.

Parteitag - Bildquelle: Olaf Kosinsky / Wikipedia

Parteitag – Bildquelle: Olaf Kosinsky / Wikipedia

Schon in der Anfangszeit wurden der AFD stets medial rechte Tendenzen unterstellt. Das war aber ursprünglich in keiner Weise die Ausrichtung der AFD.

Das Parteiengesetz macht eine sinnvolle Ausrichtung fast aussichtslos

Man muss wissen, dass das deutsche Parteiengesetz es unmöglich macht, eine Partei auf einem bestimmten Kurs zu halten. Jeder darf Parteimitglied sein und die demokratischen Grundregeln der Nichtdiskriminierung machen es schwierig, Aufnahmeanträge abzulehnen. Auch will ja jede Partei wachsen, um mehr politisches Gewicht zu bekommen und braucht zudem Mitgliedsbeiträge. Bei den Piraten galt noch zusätzlich die Philosophie dass jeder mitwirken soll, also wurde schon aus Prinzip jeder, der einen Antrag stellte, aufgenommen.

Diese Rechtslage und Praxis hat zur Folge, dass die Partei zunehmend Mitglieder bekommt, die zu der öffentlichen Wahrnehmung der Partei passen. Wenn also Medien ständig über möglicherweise rechtsgerichtete Aussagen einzelner Parteimitglieder berichten statt über Mehrheitsbeschlüsse der Gesamtheit, führt das dazu, dass sich auch rechtsgerichtete Bürger von der Partei angezogen fühlen und sich immer mehr solche Mitglieder in der Partei sammeln.

Eine Partei kann sich gegen solche Entwicklungen kaum zur Wehr setzen. Man könnte gegen alle, gegen die ein Verdacht besteht, dass sie rechtsextreme Ansichten haben ein Parteiausschlussverfahren in Gang setzen. Aber die Prinzipien der Nichtdiskriminierung und der Rechtsstaatlichkeit erlauben dazu keine Willkür. Eindeutige, rechtsfähige Kriterien und Beweise sind schwer zu finden. Wenn es zu einem Gerichtsverfahren dazu kommt und es gibt den Verdacht der Diskriminierung wird ein abgelehnter Aufnahmeantrag oder ein Parteiausschluss zum Rechtsverstoß und zur Ursache einer medialen Breitseite gegen die Partei. Solche Verfahren bedeuten darüber hinaus enormen Aufwand und keine Partei ist für duzende oder hunderte Ausschlussverfahren institutionell aufgestellt. Und sie will sicher auch nicht Mitglieder aufgrund von vagem Verdacht ausschließen, der aber für eine mediale Schlacht gegen die Partei schon ausreicht.

Eine neue Partei kann sich zudem gegen eine feindliche Übernahme kaum wehren. Will man eine Partei diskreditieren, braucht man nur einige, die dort Mitglied werden und mit ihren Themen oder auch parteischädigenden Themen in den Medien landen. Unsere Medien springen gerne auf und verunglimpfen eine Partei. Im Zweifelsfall ist die Sensationsmeldung einfach auflagenträchtiger als ein Bericht über Beschlüsse seriöser Parteiprogramme.

Am Ende ist die Partei dann in der öffentlichen Wahrnehmung verwässert und ursprünglich klare Ausrichtungen verlieren sich.   Das Parteiprogramm der AfD (das Württembergische ist das bisher am weitesten fortgeschrittene Programm, hier) beinhaltet wichtige Themen wie mehr Demokratie, mehr Transparenz, gleiche Besteuerung aller Einkommensarten usw. Einige sind vom neoliberalen Ursprung der Partei geprägt und weniger sinnvoll, manche vom konservativen Weltbild, das zweifelsohne zum politisch gerechtfertigten demokratischen Spektrum gehört. Und ein paar ganz wenige Punkte könnte man als rechts gefärbt ansehen. Die Gefahr, dass die Partei aber immer weiter in falsche Gewässer abdriftet, ist durchaus gegeben. Das liegt aber nicht an der Partei als Solches.

Leitmedien mit Shitstorm untersten Niveaus

Diese Woche war bis zum Rand gefüllt mit Meldungen über einen Satz, den der AfD-Vize Alexander Gauland äußerte. Der Spiegel titelte beispielsweise „Rassistische Äußerung von AfD-Vizechef: Gauland beleidigt Boateng“.

Nochmal: Man muss kein Fan der AfD sein. Aber wenn Sie in einem Hintergrundgespräch, das ausdrücklich nicht veröffentlicht werden sollte, sagen würden, dass viele Ihrer Nachbarn einen farbigen Nationalspieler zwar spielen sehen wollen aber nicht als Nachbarn wollen, beleidigen Sie dann den Nationalspieler Boateng? Oder Ihre Nachbarn?

Der genaue Wortlaut soll gelautet haben: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“. Das bestreitet Gauland nicht, die FAZ musste aber inzwischen zugeben, dass keine Audioaufzeichnungen existieren. Oder wollte sie nicht zur Verfügung stellen, damit die Aussage nicht auch noch in einen anderen Kontext gestellt wird, der sich aus den Aufzeichnungen ergibt?

Um jemand zu beleidigen, muss man ihn persönlich beschimpfen oder ihn wenigstens öffentlich angreifen. Gauland konnte Boateng in einem vertraulichen Gespräch nicht beleidigt haben, soweit sollte man noch in der Lage sein, Logik und deutsche Sprache zu verstehen. Dennoch wurde diese Behauptung in alle größten Medien inklusive ARD und ZDF aufgestellt. Was für ein journalistisches Niveau ist das? Die Welt schreibt dazu inzwischen, die FAZ habe vermutlich „im Eifer“ auf „Anstand verzichtet“.

Wenn unsere Medien über die AfD berichten, bekommt sie meist schon direkt das Anhängsel „die rechtspopulistische Partei“, wie jüngst in der Tagesschau. „Die konservative Partei CDU“ oder „die Freihandelsabkommenbefürworterpartei SPD“ hat man vermutlich aber noch nie gehört. Solche Etikettierungen gehören sich in wertigen Medien nicht.

Objektiv beschreibt Gauland in seiner Aussage einen Zustand, der ihm wahrscheinlich immer wieder aus Sachsen, Brandenburg usw. zugetragen wird. Dass es dort Menschen gibt, die misstrauisch sind, Angst vor islamistischen Extremisten und Menschen anderer Hautfarbe haben ist offensichtlich und durch Umfragen bestätigt. Und dass Menschen, die fremd sind generell weniger Vertrauen auslösen ist eine wissenschaftliche Tatsache.

Manche werfen der Partei vor, sie würden mit rechtspopulistischen Aussagen Versuchsballons loslassen, mit denen sie probieren, ob sie dadurch Stimmen gewinnen oder verlieren. All das sieht aber eher nach einer Medienkampagne aus, mindestens aber nach journalistischer Niveaulosigkeit. In Umfrageergebnissen jedenfalls blieb die AfD konstant bei ca. 13%. insofern war der Medienhype in jeder Richtung wirkungslose heiße Luft. Was bleibt, ist ein weiter zerbröckelndes Vertrauen in die Medienlandschaft und den deutschen Journalismus.

Politikverdrossenheit

Zurück zur Parteienlanschaft: Erlauben wir, dass Parteien schrittweise zu Extremisten gemacht werden, nur weil Journalisten Sensationen suchen oder etablierte Machtstrukturen erhalten wollen? Das sollten wir nicht. In den 1990ern machte das Wort „Politikverdrossenheit“ die Runde. Heute sind die Menschen nicht mehr uninteressiert an Politik sondern hochgradig frustriert, weil ihr Engagement so oft zu verpuffen scheint und es immer noch keine Partei gibt, die sie wirklich wählen wollen.

Auswege

Doch was können wir tun? Wie schon beschrieben sind die Regeln für Parteien so gestaltet, dass sie leicht ihrer Richtung verlieren. Ein Ausweg ist der Weg, den Yannis Varoufakis mit der DiEM25 Initiative beschreitet: Erst ist es eine Initiative auf Basis eines Vereins und wenn sie groß genug ist, wird sie möglicherweise in eine Partei umgewandelt. So ist die Basis von Mitgliedern die das Gleiche wollen schon so groß, dass Gesinnungsfremde zumindest auf das Parteiprogramm keinen Einfluss nehmen können.

Rechtlich möglich wäre auch eine Partei, die sehr strikte Grundwerte für sich und seine Mitglieder festlegt. Grundwerte einzufordern ist keine Diskriminierung. Allerdings ist dies durchaus kein einfacher Weg, braucht viele Menschen, die ihn gemeinsam gehen und den ständig nötigen hohen Aufwand leisten.

Und bitte liebe Journalisten und Mitmenschen, hören Sie endlich auf, die komplette Welt in Links und Rechts einzuteilen. Wenn Ihnen so jemand begegnet, klären Sie ihn darüber auf, welchen Schaden er anrichtet (siehe Links und Rechts – Nuhr ein bisschen Verblödung). Durch diese Schubladen wird jeder politische Fortschritt sabotiert.

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About CU_Mayer

Über den Autor Nach Beginn im kaufmännischen Zweig studierte Dipl.-Ing. (FH) Christoph Ulrich Mayer, geboren 1968 in Krumbach (Schwaben), Nachrichtentechnik. Er arbeitete mehrere Jahre als Ingenieur und Projektleiter, bevor er sich 2001 mit Ingenieur-Dienstleistung, Unternehmensberatung & Coaching selbständig machte. Seit ca. 15 Jahren arbeitet er als Systemischer Coach. In dieser Zeit lernte er die unterschiedlichsten Denkweisen und Wertesysteme, auch anderer Kulturen, kennen und entwickelte somit einen Weitblick für gesellschaftliche Zusammenhänge. Durch die Beratungsarbeit in Unternehmen kennt er zudem viele Hintergründe, die die Wirtschaftsprozesse besser verstehbar machen. In jahrelanger intensiver Arbeit verfasste er das Buch "Goodbye Wahnsinn - vom Kapitulismus und Kommunismus zum menschenGerechten Wirtschaftssystem". Auf unorthodoxe Weise setzt er sich mit Lehren von Adam Smith bis Karl Marx und mit Sichtweisen von Norbert Blüm bis Sarah Wagenknecht auseinander. Sein Anliegen ist, mit seinen Erkenntnissen und Lösungen zu zeigen, dass wir eine bessere - eine nachhaltigere - Zukunft wählen können.

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