Warum die Wirtschaft nicht so weiter machen kann

Im Jahr 2008 brach unser Finanzsystem zusammen. Wir haben davon sehr viel in den Nachrichten gehört, doch in unserem alltäglichen Leben haben wir es zunächst kaum bemerkt. Warum, darauf kommen wir weiter unten.

Erst wollen wir die Frage beantorten: Warum kam es zum Kollaps?

Ein paar Detailinformationen wurden dazu öffentlich genug diskutiert. Sehen wir uns die Makroebene an.

Sehr deutlich erkennt man das Problem, wenn man die Gesamt-Schuldenlast der USA mit dem Bruttoinlandsprodukt der USA vergleicht, siehe dieser Grafik:

Gesamt-Schuldenlast der USA mit dem Bruttoinlandsprodukt der USA, Grafik aus: TheEconomicCollapseBlog.com

Erstaunlich ist zunächst, dass dieser exponentielle Anstieg seit 1950 fast mathematisch genau intakt war. Nach Theorie hätte es hier längst Korrekturen geben müssen, doch die wurden durch zunehmende Virtualisierung im Finanzmarkt umgangen.

Beide, das Bruttoinlandsprodukt (engl. GDP) als auch die Schuldenlast (TCMDO ist die Gesamtverschuldung Staat, Unternehmen, Privatpersonen) steigen, wenn man so will, exponentiell.
Nur steigt die Schuldenlast mit einem stärkeren Exponenten. Auf diese weise werden die Schulden im Verhältnis zum BIP immer größer.Wären es einfach Schulden, hätten wir kein so großes Problem. Kredite werden schließlich an all jene vergeben, die (theoretisch) glaubwürdig versprechen, dass sie die Schuld zurückzahlen können. Das Problem ist: Die Zinslast steigt mit den Schulden und wird so zu einer prozentual immer größeren Last für die Volkswirtschaft.

Historische Schuldenquote … und Guthaben

1929, als mit dem Schwarzen Freitag die große Rezession in den USA begann, lag die Schuldenlast bei ca. 300% des Bruttoinlandsproduktes, 2009 lag sie bereits wieder weit darüber, bei 359% [Forschung Morgan-Stanley]. Bei einem durchschnittlichen Zinssatz von 5% (er dürfte real höher liegen) zahlen die Amerikaner jährlich 2,8 Billionen Dollar Zinsen. Dazu kommen dann noch die Zahlungen für die anderen Finanzpapiere, Dividenden für Aktien und andere Ausschüttungen, die mindestens genauso hoch sein dürften. In Deutschland lag die jährliche Zinslast für die Volkswirtschaft bei 550 Mrd. €, 2012 liegt sie aufgrund der Entwicklungen seit 2008 bei ca. 420 Mrd. € (z.B. gesunkener Zinssatz durch niedrigen Leitzins und Inzahlungnahme maroder Anlagen durch die Zentralbank).

In einem so fortgeschrittenen System findet man immer weniger kreditwürdige Stellen, um die Schulden weiter wachsen zu lassen. Ein Kollaps ist unvermeidlich. Also überredete man 2001, auch mit Hilfe eines Programms der Regierung, Menschen die ihr Haus schon abbezahlt hatten, zur Refinanzierung ihrer Immobilien. Und man schuf Hausfinanzierungen, die mit ihrer jährlich steigenden Last am Anfang bezahlbar aussehen aber dann für die Schuldner nicht mehr zu leisten sind. Man wusste entweder von Anfang an oder irgendwann später, dass diese Kredite platzen würden und verpackte sie in undurchsichtige Fonds, die CDOs. Diese wurden an andere Banken verkauft. Auch hier kann man nur Vermutungen anstellen ob absichtlich staatliche Banken wie z.B. die deutschen Landesbanken dafür als Kunden auserchoren wurden. Durch die Involvierung der Staaten jedenfalls wurde sichergestellt, dass öffentliche Haushalte beim Platzen der Blase finanziell betrofen sind. So etwas könnte ein gängiges Prinzip der Finanzbranche sein. In einem abgehörten Telefonat der Anglo Irish Bank erkennt man die moralische Ebene auf der gearbeitet wurde [Veröffentlichte abgehörtes Gespräch im Irish Independent]: Fitzgerald: „Yeah. They’ve got skin in the game and that is the key.“ [hier zum Anhören]

Die „Rettung“…

Über die Involvierung der Staaten in den Kollaps und die Drohung des systemrelevanten Zusammnbruchs wurde der Staat genötigt, die vorher geschaffene Kreditblase zu übernehmen. Damit wurden die vorher virtuellen Gewinne aus diesen Anlagen vom Staat abgesichert und zu dessen Schulden gemacht. Hier die US-Staatsschuldenentwicklung, man erkennt deutlich den Sprung von rund 65% des BIP auf über 100% des BIP.

Staatsschulden der USA im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt Grafik aus: TheEconomicCollapseBlog.com

(Dieser Umstand hat den Status Quo im Finanzsektor von 2008 in etwa aufrecht erhalten und v.a. deshalb merken wir im Alltag in Deutschland nicht viel von den Auswirkungen der Krise.)

Genauso lief es auch z.B. in Spanien, wo auch noch eine Inlands-Immobilienkrise von Staat abgefangen wurde. „Die private und öffentliche Verschuldung sei seit dem Jahr 2007 in den 18 führenden Wirtschaftsländern um 33 Billionen Dollar gestiegen.“ [FAZ] So wurden die USA und die Europäischen Staaten zu den Trägern der Schuld, die durch unreale Finanzprodukte und ihre Gewinne geschaffen wurde. Anschließend wurden dann die hohe Schuldenlast den Staaten zum Vorwurf gemacht und ihnen (von US Ratingagenturen) mangelnde Kreditwürdigkeit unterstellt. So stiegen die Marktzinsen und die Staaten wurden in Zahlungsengpässe und Verschuldungsfallen getrieben.

Seit 2010 werden Staaten zunehmend erpresst, ihre Sozialleistungen zu reduzieren und ihre Werte, Land, Fischereirechte, Infrastruktur usw. zu verkaufen um diese Schulden zu tilgen. Damit werden Staaten enteignet und somit auch das Gemeinschaftseigentum der Bevölkerung. Die Schulden der Staaten jedoch wurde seit Ausbruch der Staatsschuldenkrise 2010 nicht kleiner sondern größer. Solange „Hilfsgelder“ nur zur Zahlung von Kreditzinsen verwendet werden [Banken wurden saniert – Bevölkerung verarmt], können die Staaten nie auf einen nachhaltigen Kurs gebracht werden.

Die Gefahr…

Die Gefahr besteht nun darin, dass dieser Prozess so weiterbetrieben wird, bis über den ESM, der die Staatsfinanzen der EU miteinander verbindet, alle Staaten in diesen Ausverkauf getrieben sind. Ist das Staatseigentum veräußert, Bahn, Energierzeuger, Wälder, Ländereien, und sind die Staaten dann hoch verschuldet, befindet sich das öffentliche Eigentum im Besitz von Finanzinstituten und reicher Privatpersonen. Dann wird die Position der Staaten im Vergleich zur Macht der Finanzinstitute noch ungleich schwächer sein. All die Rendite- und Zinszahlungen werden in der Zukunft nicht bezahlt werden können, es wird dann zu einem erneuten Kollaps kommen. Wohl dem, der dann die Sachwerte in seinem Besitz hat. Die Breite der Bevölkerung ist daran jedoch kaum beteiligt.
Die Frage muss erlaubt sein: Was ist eine Demokratie wert, wenn der Staat eingentlich Gläubigern gehört?

Die Sparpolitik des Staates kann nicht zur Lösung führen. Nur Geld, das für Konsum (auch industriellen und staatlichen) ausgegeben wird, kann das Bruttoinlandsprodukt erhalten und steigern. Geld, das gespart oder angelegt wird, fehlt im BIP. Erst durch Kreditvergaben kommt dann wieder Geld in Umlauf. Der Staat kompensiert diese Lücke und er kann das im jetzigen Finanzsystem nur, indem er Kredit aufnimmt, also mehr ausgibt als er einnimmt. Aber das sei Inhalt eines anderen Artikels, hier ein Einblick: Interview mit Heiner Flassbeck.

Lösungen finden Sie z.B. hier im Blog [1, 2] und im Buch Goodbye Wahnsinn

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About CU_Mayer

Über den Autor Nach Beginn im kaufmännischen Zweig studierte Dipl.-Ing. (FH) Christoph Ulrich Mayer, geboren 1968 in Krumbach (Schwaben), Nachrichtentechnik. Er arbeitete mehrere Jahre als Ingenieur und Projektleiter, bevor er sich 2001 mit Ingenieur-Dienstleistung, Unternehmensberatung & Coaching selbständig machte. Seit ca. 15 Jahren arbeitet er als Systemischer Coach. In dieser Zeit lernte er die unterschiedlichsten Denkweisen und Wertesysteme, auch anderer Kulturen, kennen und entwickelte somit einen Weitblick für gesellschaftliche Zusammenhänge. Durch die Beratungsarbeit in Unternehmen kennt er zudem viele Hintergründe, die die Wirtschaftsprozesse besser verstehbar machen. In jahrelanger intensiver Arbeit verfasste er das Buch "Goodbye Wahnsinn - vom Kapitulismus und Kommunismus zum menschenGerechten Wirtschaftssystem". Auf unorthodoxe Weise setzt er sich mit Lehren von Adam Smith bis Karl Marx und mit Sichtweisen von Norbert Blüm bis Sarah Wagenknecht auseinander. Sein Anliegen ist, mit seinen Erkenntnissen und Lösungen zu zeigen, dass wir eine bessere - eine nachhaltigere - Zukunft wählen können.

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