Banken und Geldschöpfung, Kreditschöpfung

Ein extrem teurer Irrtum der Wirtschaftslehre gefährdet die Zukunft des Westens

Wenn wir Extremismus besiegen, in Zukunft Wohlstand haben und selbstbestimmt leben wollen, müssen wir über profunde Änderungen nachdenken. Der erste Schritt dazu ist, die Wirklichkeit aufzunehmen und anzunehmen. Leider scheitern wir als Gesamtgesellschaft derzeit immer noch an diesem ersten Schritt.

Kürzlich ging ein offener Brief des internationalen Studentennetzwerks „Rethinking Economics“ an ihre jeweiligen Hochschulen, der dazu auffordert, die falsche Darstellung der Funktion der Banken zu korrigieren. Dieses falsche Verständnis hat Europa in eine tiefe Krise gestürzt und auch gegenüber Asien ins Hintertreffen gebracht. Mehr noch, die Borniertheit der Wirtschaftswissenschaftler gefährdet die Zukunft Europas. Aber eins nach dem Anderen:

Die Studenten/Studentinnen der Volkswirtschaftslehre fordern ihre Hochschulen dazu auf, die Lehrbücher und den Studieninhalt bezüglich der falschen Darstellung der Funktion der Banken zu korrigieren. Eine Übersetzung der wichtigsten Textstellen finden Sie auf dem Blog von Norbert Häring. In der gängigen Lehre wird behauptet, Geschäftsbanken würden Geld von Sparern einsammeln und als Kredit weiterverleihen. Das aber stimmt schon seit der Zeit Jakob Fuggers nicht mehr.

Geschäftsbanken erzeugen Geld und geben kein Spargeld weiter

In Wirklichkeit bucht die Bank einen Kreditvertrag als Aktiva ein, dadurch entsteht ein Spielraum auf der Passiva-Seite, so entsteht NEUES Giralgeld, das nun dem Kreditnehmer zur Zahlung zur Verfügung steht. Spareinlagen werden für diesen Vorgang nur gebraucht, weil dies die Gesetzgebung vorschreibt. Aber mit neuem Giralgeld steigen automatisch die Spareinlagen und deshalb begrenzen sie die Kreditschöpfung so wenig wie eine Linie, die man auf einen Luftballon malt. Bläst man den Ballon auf, wird die Linie automatisch größer.

Den Zusammenhang der Entstehung von Geldvermögen mit Schulden habe ich in diesem Artikel aufgezeigt, mit der Absicht, einfach und verständlich aber fundiert und mit Belegen versehen zu erklären. Bei Makroskop können Sie die Bewertung dieses Sachverhalts hier und hier nachlesen. Der von den Studenten dargestellte Sachverhalt ist theoretisch und empirisch nachgewiesen [z.B. hier] und wird auch von der Bundesbank so bestätigt [Deutsche Bundesbank 2017].

Hinreichend belegt

Ich möchte daher in diesem Artikel nur auf diese Belege verweisen statt eine Beweisführung zu wiederholen. Hier möchte ich aber aufzeigen, welche fatale Auswirkung diese Irrlehre faktisch für Europa bis heute hat und er einen Abstieg Europas gegenüber Asien mitverursacht.

Staatsschulden im Finanzsystem unvermeidlich

In unserem Finanzsystem sind aufgrund der dargestellten Bankfunktion die Geld-Guthaben immer gleich groß wie die Schulden. Darüber hinaus muss das Geldvolumen wachsen, wenn die Wirtschaft wächst und wenn ein Teil des Geldes gespart wird. Denn das Geld wird aus dem Realwirtschafts-Kreislauf herausgenommen und wird nicht zu Einnahmen der Unternehmen. Diese Sparlücke muss durch Geldwachstum gefüllt werden. Da die Geldmenge steigen muss, müssen also auch die Schulden steigen. Würden die Schulden abgebaut, würde das Geldvolumen sinken und die Wirtschaft in eine heftige Depression gestürzt.

Eine Volkswirtschaft hat 4 Möglichkeiten der Verschuldung: Privatpersonen, Unternehmen, Staat oder Ausland. Wenn alle Schulden von Unternehmen getragen würden, wären diese Bilanztechnisch im Durchschnitt alle in Konkurs. Ein erheblicher Teil der Schulden muss also von anderen Schuldnern getragen werden. Privatpersonen erwarten, nach getaner Arbeit am Ende des Jahres, 10% mehr Geld angespart zu haben. Und dank ausgehebelter Erbschaftsteuer zerfällt davon auch beim Übergang auf eine neue Generation nahezu nichts, die Spirale geht weiter. Privatpersonen wollen und sollen ein steigendes Guthaben verbuchen. Also bleiben als Schuldner noch Staat und Ausland.

Das Ausland hat nun dieselben 3 Möglichkeiten der Verschuldung: Privatpersonen, Unternehmen, Staat wenn eine Überschuldung eintritt, die Rück- und Zinszahlungen also nicht mehr geleistet werden können, ist für die benachbarte Volkswirtschaft der Weg der Auslandsverschuldung versperrt.

Mit anderen Worten: Der Staat muss sich – im aktuellen System – verschulden, um steigende Vermögen bei Privatpersonen zu ermöglichen. Diese Funktion war auch bis in die 1970er Jahre akzeptiert. Bis eben die wirtschaftswissenschaftlichen Irrlehren sich ihren Weg bahnten, namentlich Monetarismus und Neoklassik.

Die Welt vor 1997

Vor 1997 nahm der Staat bei der Zentralbank Kredit auf. An diese musste er auch marktübliche Zinsen zahlen. Aber (!) die Zentralbank schüttete ihre Überschüsse an den Staat aus. Mit anderen Worten: Die Zinsen des Staates verursachten nur in geringem Maß tatsächliche Kosten und diese Art der Staatsverschuldung war nachhaltig, solange sie nicht deutlich über dem Wirtschaftswachstum lag. Und die Steuergelder wurden nicht als Vermögenseinkommen für Privatpersonen missbraucht.

Seit 1997: Irrtum als Grundlage der EU-Stabilitätskriterien

Seit 1997 ist der Zentralbank, damals noch Deutschen Bundesbank, verboten, Kredite an Nichtbanken zu geben [Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft]. Vor allem darf sie keine „monetäre Staatsfinanzierung“ betreiben, wie im EG-Vertrag Art. 101 und später im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV Art. 123, auch „Lissabonner Vertrag“ festgelegt wurde. Das bedeutet vor Allem: sie darf keine Kredite mehr an Staaten vergeben.

In einem Interview mit dem damaligen Präsident der Bundesbank Helmut Schlesinger 1992 wird klar, worum es bei der Regelung ging: um die Stabilität einer Euro-Währungsunion, die in den 1990er Jahren vorbereitet wurde. Seine Forderungen: „Wir sind keine Regierung. Wir konnten immer nur sagen: Wenn ihr eine Währungsunion für Europa haben wollt, dann müßt ihr vor allen Dingen auf folgende Kernpunkte achten – Priorität der Stabilität, Unabhängigkeit des Entscheidungsgremiums, keinen Kredit an den Staat und eine weitgehende Unabhängigkeit im Hinblick auf die Wechselkurspolitik.“ (Hervorhebung durch den Autor)

Die gute Absicht dieses Kreditvergabeverbots war also, die Währung der Euro-Zone stabil zu halten. Tatsächlich aber verursachte diese Regelung, dass nun Privatbanken die Kreditschöpfung der Zentralbank vollständig übernahmen und damit auch Rückzahlung und Zins der Staaten kassieren, damit bis heute ein Loch in den realwirtschaftlichen Kreislauf reißen.

Eine Währungsstabilität wird damit keinesfalls bewirkt, vielmehr stieg das Geldvolumen in Deutschland zwischen 1998 und 2008 auf mehr als das Doppelte an – rein durch Geldschöpfung von Privatbanken. Dann kam der Kollaps. Dass dieser Anstieg nicht mit einer Inflation einher ging zeigt, dass das ganze Theoriegebäude um Geldvolumen, Inflation und Wirtschaftswachstum mit der heutigen Realität nichts zu tun hat.

Datenquelle: deStatis.de

Seit 1997 wird zur Staatsfinanzierung die Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH beauftragt, einen Verkauf von Staatsanleihen über einen gewünschten „Kredit“betrag auszuschreiben. Dann machen die zugelassenen Bieterbanken (Deutsche Bank, UBS, Goldman Sachs, …, vollständige Liste siehe Deutsche Finanzagentur) ein Angebot und erwirbt die Staatsanleihen gegen Zahlungsversprechen des Staates.

Das heißt nichts anderes als dass sie die Staatspapiere als Asset/ Aktiva in ihrer Bilanz einbuchen und dadurch Giralgeld schaffen, dass sie dann dem Staat übertragen. 

Hier sei auch angemerkt, dass auch die Bankrettung genau so lief: Der Staat liefert ein Asset, das bei einer Bank eingebucht wird und dieser die Erzeugung von Giralgeld ermöglicht, dass dann einer anderen Bank, oder sogar derselben, zur Verfügung gestellt wird, um wiederum deren Gläubiger abzusichern und auszuzahlen.

Der Staat als Kreditnehmerkonkurrent

Ein besonders hanebüchener Auswuchs des verfehlten Bankenverständnisses ist dieser: Wenn eine Bank Spareinlagen für Kredite braucht, dann sind die Einlagen der begrenzende Faktor. Deshalb stehen in dieser Theorie die Kreditnehmer in gegenseitiger Konkurrenz und nehmen sich die Gelder weg.

Demnach bewirkt also der Staat, wenn er Kredit aufnimmt, dass der privaten Wirtschaft nicht mehr genug Geld zur Verfügung steht. Mit anderen Worten: Die öffentliche Kreditaufnahme würgt die Wirtschaft ab!

Unsinniger geht es wirklich nicht mehr. Noch nie in unserem Bankensystem hat jemals eine Bank einem Kreditnehmer gesagt: „Tut uns leid, wir können Ihnen gerade keinen Kredit geben, weil wir zu wenig Spargelder haben.“ [s.a. hier] Im Gegenteil: Der Staat MUSS – im heutigen System – Kredit aufnehmen, um ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu ermöglichen.

Die „schwarze Null“ für Staatsausgaben ist also ebenfalls eine Auswirkung eines fehlgeleiteten Verständnissen von Geld und Banken.

Auswirkungen

Durch die falsche Regelung mussten sich die Europäischen Staaten also seit 1997 bei privaten Banken verschulden, die diesen Anteil an Steuereinnahmen an Geldanleger weiter reichten. Im Regelfall lassen sich die Geldanleger diese Einnahmen nicht auszahlen sondern sie bleiben in einer Geldanlageform. Da diese aber nicht für Kreditvergaben verwendet wird, sondern einfach nur dem realwirtschaftlichen Geldkreislauf entzogen wird, fehlen der Wirtschaft und dem Staat jedes Jahr viele Milliarden Einnahmen. Deshalb wiederum musste diese Lücke wieder durch noch mehr Kreditaufnahme geschlossen werden. So wurden Staaten in eine Überschuldung gegenüber privaten „Geldgebern“ getrieben. Das hätte so nie stattfinden müssen und dürfen.

Zudem bewirken die Stabilitätskriterien, dass die staatlichen Geldmengenausweitungen ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ermöglichen. An deren Stelle musste eine Auslandsverschuldung treten, die aber zwangsläufig langfristig platzen muss. Man kann Verschuldung nicht unendlich ausweiten, wenn dazu kein Gegenpart an Wirtschaftswachstum besteht.

Staatsschuldenkrise 2010

Als von 1997 bis 2010 also Staatsschulden zum reinen Kostenfaktor wurden und an private Anleger gingen, wuchs das Ungleichgewicht an realwirtschaftlich wirksamem Geldvermögen und Gesamtmenge der Schulden, bis 2007/2008 die Finanzkrise im Immobilienmarkt ausbrach. Diese wurde mit staatlichen Garantien und Geldern aufgefangen, was wiederum das Problem noch weiter zur öffentlichen Hand verlagerte und dann in den EU-Mitgliedsstaaten die Schuldenkrise endgültig auslöste.

Das Verbot der Kreditvergabe an Staaten sorgte in der Staatsschuldenkrise 2010 dann auch dafür, dass die Zentralbank keinerlei Staatsanleihen direkt von den Kriesenländern Griechenland oder Portugal ankaufen durfte und diese dann von den Banken kaufte. Gerettet wurden also Bankgewinne statt Staaten. Und selbst das wurde als Verstoß gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung kritisiert.

Preis-Explosion bei Aktien und Immobilien

Die durch den Aufkauf von maroden Wertpapieren durch die EZB entstandenen Guthaben der Banken bei der Zentralbank fließen seit 2010 nun vermehrt in faktische Geldanlagen wie Aktien und Immobilien. Deshalb explodieren im Immobilienmarkt die Preise, obwohl die Geldverfügbarkeit im Mietermarkt das keinesfalls abbildet. Und die Wertpapiere steigen im Kurs, obwohl die Gewinne gar nicht so rosig sind.

Das alles bedeutet eine Verschiebung der Vermögen zugunsten besonders Vermögender (Preise der Anlageobjekte stiegen) und zugleich eine immer stärkere Belastung der Normalbürger z.B. durch steigende Mieten.

Bildquelle: Photo by Armando Arauz on Unsplash

Zukunftsfähigkeit

Kommen wir nun aber zur Zukunft. China nutzt nicht nur intelligent das Weltwährungssystem aus, sie haben auch ein viel besseres Verständnis für Geld, Kreditvergabe und Investition.

Während hierzulande alles nur auf Kosten sparen und Effizienz ausgelegt wird, werden in China Milliardenbeträge in neue Technologien oder den Bau von Städten oder Flughäfen gesteckt. Auf staatlicher Ebene ist das schon länger klar aber zudem vergeben chinesische Banken viel leichter Kredite wie deutsche Kreditinstitute. 

Entsprechend der falschen Doktrin investiert Deutschland und ganz Europa wenig in Bildung, Infrastruktur und Forschung. Die deutsche Kleingeisterei ist inzwischen kein niedliches Problem mehr sondern sorgt dafür, dass China faktisch in Zukunftstechnologien mit großem Tempo an uns vorbei zieht. 

Wir bekommen noch nicht einmal Bauvorhaben wie einen Berliner Flughafen oder einen Stuttgarter Bahnhof hin. Aber wichtiger ist: China kauft strategisch weltweit und auch in Deutschland Unternehmen auf, die in zukunftsträchtigen Technologien wie Robotik, Chipproduktion, KI usw. führend sind und gibt erheblich mehr für deren Entwicklung aus.

Ein Beispiel aus dem Artikel „Die WM als Metapher – der abstieg unter der Wahrnehmungsgrenze„: Solarenergie. Deutschland hatte führende Solarunternehmen. Als der Schweizer Louis Palmer 2007 mit dem ersten autonomen, selbstgebauten Solarmobil durch die ganze Welt reiste, traf er einen Visionär, der die größte Silitziumfabrik der Welt bauen und Solarzellen für jeden Haushalt erschwinglich machen wollte. Dazu benötigte er 2 Milliarden Dollar. Er bekam sie und machte es wahr. Wenige Jahre später kamen die bis da hin florierenden deutschen Solarunternehmen unter erheblichen wirtschaftlichen Druck und haben heute eine vergleichsweise geringe Bedeutung. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der deutschen Politik die Förderung nachhaltiger Solarenergie zu teuer war. 

Fazit

Es ist unglaublich schwer, in einem Umfeld so verfestigter Irrlehren mit empirisch bewiesener Wirklichkeit durchzudringen. Ich drücke den Studenten alle Daumen, dass sie mit diesem Aufruf wenigstens an ihren Hochschulen Bewegung in die Anpassung der Theorie an die Wirklichkeit bringen.

Während dieser Prozess träge und oft genug im Sande verläuft, hat China längst die Schwächen der westlichen Systeme durchschaut und nützt ihre undogmatische Sicht, um als Weltmacht an Europa und sogar USA vorbei zu ziehen. Diese Bewegung ist für Viele noch nicht spürbar aber im Moment mit enormer Geschwindigkeit dabei, die Welt zu verändern. 

Jetzt müssen endlich Wissenschaft, Politik und Journalismus aufwachen. Denn die Besitzstandswahrung für die westlichen Eliten verursacht gerade genauso einen Niedergang der Bedeutung der beiden Kontinente als auch den Niedergang der Eliten selbst. Und wenn das Erwachen da ist, liegt noch viel Arbeit vor uns, Lösungen zu erarbeiten und sich auf sie zu einigen. Die Zeit drängt!

Titelbild-Quelle: JL-art @Fotolia (modifiziert)

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About CU_Mayer

Über den Autor Nach Beginn im kaufmännischen Zweig studierte Dipl.-Ing. (FH) Christoph Ulrich Mayer, geboren 1968 in Krumbach (Schwaben), Nachrichtentechnik. Er arbeitete mehrere Jahre als Ingenieur und Projektleiter, bevor er sich 2001 mit Ingenieur-Dienstleistung, Unternehmensberatung & Coaching selbständig machte. Seit ca. 15 Jahren arbeitet er als Systemischer Coach. In dieser Zeit lernte er die unterschiedlichsten Denkweisen und Wertesysteme, auch anderer Kulturen, kennen und entwickelte somit einen Weitblick für gesellschaftliche Zusammenhänge. Durch die Beratungsarbeit in Unternehmen kennt er zudem viele Hintergründe, die die Wirtschaftsprozesse besser verstehbar machen. In jahrelanger intensiver Arbeit verfasste er das Buch "Goodbye Wahnsinn - vom Kapitulismus und Kommunismus zum menschenGerechten Wirtschaftssystem". Auf unorthodoxe Weise setzt er sich mit Lehren von Adam Smith bis Karl Marx und mit Sichtweisen von Norbert Blüm bis Sarah Wagenknecht auseinander. Sein Anliegen ist, mit seinen Erkenntnissen und Lösungen zu zeigen, dass wir eine bessere - eine nachhaltigere - Zukunft wählen können.

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