Toleranz – ein Ideal widerlegt sich selbst
Wie wir die Veränderung unserer Gesellschaft durch den Zustrom von Menschen anderer Wertegemeinschaften gestalten können
Toleranz wird hierzulande zum intellektuellen Ideal erhoben. Wer tolerant ist, ist ein guter Mensch. Auf Tele5 laufen gerade jeden Tag Kampagnen für „Tolerismus“.
Das Problem ist nur: Toleranz kann nicht unreflektiert auf alles angewendet werden. Denn spätestens wenn wir Intoleranz nicht tolerieren, haben wir die Grenze der schöngeistigen Philosophie gefunden. Es gibt immer eine Grenze für Toleranz.
Clash of Tolerance
Als die Bilder um die Welt gingen, wie deutsche Frauen in München den ankommenden Flüchtenden aus Syrien, Irak & Co. zujubelten, erzeugte das im Ausland einige Verwunderung. Nicht nur, weil man den Deutschen so viel Gutmenschentum vielleicht nicht zugetraut hat. Sondern weil Frauen den überwiegend männlichen muslimischen Ankommenden zugejubelt haben, für die Frauen minderwertig sind und sich aus deren Sicht dem Mann zu unterwerfen haben. (Dieses Problem zeigt sich auch sehr lebenspraktisch immer wieder mit Betreuerinnen in Asylunterbringungen oder auch z.B. mit Ärztinnen und Krankenschwestern in Kliniken.) Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt aus den Problemen, die sich aus der Unterschiedlichkeit der Kulturkreise ergibt.
Beispielhaft hier ein Kritiker zur religiös motivierten Intoleranz (Mohammed Karikaturen): Henryk M. Broder – Die Kritik der reinen Toleranz
Das eigentliche Problem: unsere Werte
Durch den Flüchtlingszustrom wird ein Problem sichtbar, dass wir schon seit Jahrzehnten haben und immer akuter wird: Eine Unbewusstheit über unsere (Europäischen) Werte. Und – auch dadurch verursacht – ein Werteverfall.
Was unsere Gesellschaft für Viele lebenswerter macht als eine syrische oder irakische, sind nicht in erster Linie die christlichen Werte. Sondern es sind die Werte, die aus einer klaren Reflektion geboren wurde, die Werte der Aufklärungs-Epoche. Nicht umsonst fordert auch z.B. ein Heiner Geißler eine neue Epoche der Aufklärung [ Sapere aude!: Warum wir eine neue Aufklärung brauchen ]. Wir haben selbst unsere Werte verloren, u.a. an falsche Theorien über Mensch und „Märkte“.
Gleichheit, Toleranz und das Ende der Toleranz
Weil es die Problematik auf einfache Weise auf den Punkt bringt, hier der Ausschnitt aus „Goodbye Wahnsinn„:
„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Wenn dies wörtlich gemeint wäre, dann müssten ja alle Menschen ins Gefängnis oder kein Mensch dürfte eingesperrt werden.
Das Grundgesetz sagt dazu in Artikel 3:
- Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
- Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
- Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
Quelle: Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
Eine Gleichheit zwischen Menschen ist auch keine Gleichstellung aller Menschen, denn jeder Mensch hat spezifische Fähigkeiten und Werte, Frauen sind nun mal anders als Männer, usw. Vielmehr bedeutet der erstrebenswerte Wert Gleichheit eine Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung.
Wonach darf man also zwischen Menschen unterscheiden?
Das was Menschen vor dem Gesetz voneinander unterscheidet, ist ihr Handeln. Und wir MÜSSEN auf das Handeln von Menschen reagieren. Ist es der Gesellschaft dienlich, dann soll es belohnt werden, ist es schädlich, soll die Person entweder Wiedergutmachung leisten (besser) oder es soll ihr ebenso Schaden entstehen.“
Immanuel Kant hat auch eine grundlegende Philosophie des Rechts aufgestellt auf der Kernaussage „Eine Handlung ist recht, die oder nach deren Maxime die Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann.“
[Kant, „Die Metaphysik der Sitten“ ]
Eine „Diskriminierung“ (Unterscheidung) müssen wir also danach treffen, was die Personen tun. Kollidieren ihre Handlungen mit der Freiheit anderer, endet hier die Tolerierung ihres Handelns.
Das Handeln wiederum entspringt sehr wesentlich aus unseren bewussten und unbewussten Werten.
Was sind Ihre Werte?
Dazu hier an der Umfrage teilnehmen: hier klicken – Was sind Ihre Werte, was ist Ihnen wichtig?
Aktuelles Ergebnis der Umfrage hier klicken (neu gestartet 8.2.2015, hier das Ergebnis der Umfrage 2010 bis 2014: Ergebnis bis 2014, siehe auch https://menschen-gerechte-gesellschaft.de/wiki )
Was bedeutet das auf die aktuelle Situation bezogen?
Viele Diskussionen entstehen aus geistigen Kurzschlüssen (z.B. Angst vor großem Zustrom aus Syrien = Fremdenhass, usw.) und einem Konflikt zwischen Idealen und Machbarkeit/Realität. Diese müssen wir entflechten. Der erste Schritt zur Lösung ist immer Klarheit.
- Wir brauchen Klarheit. Der Mensch ist nach unserem Grundgesetz in seiner Würde unantastbar. Damit diese Würde aber so gewährleistet wird, muss sich jeder Mensch auch zu dem Wert „Menschenwürde“ bekennen und danach handeln. Andernfalls wäre es reiner Zufall, wenn am Ende eines gesellschaftlichen Prozesses tatsächlich Menschenwürde respektiert und gelebt würde.
Wir müssen uns über unsere Werte und unsere Priorität im Klaren sein. Denn diese bestimmen, in welcher Gesellschaft wir in Zukunft leben wollen. - Wir müssen unsere Werte festlegen und ehrlich priorisieren. Denn wenn wir Menschenliebe tatsächlich wichtiger einstufen als finanziellen Gewinn, dann müssen wir auch danach handeln. Heute ist es aber in vielen Gebieten umgekehrt. Wir brauchen eine Reflexion darüber, ob diese praktisch andere Priorität tatsächlich reale, harte Gründe hat oder nicht. Wenn ja, müssen wir ehrlicherweise unsere Werte-Priorität ändern. Wenn nein, müssen wir unser Handeln ändern.
- Wir müssen alle, die zu unserer Gemeinschaft gehören wollen, also auch Menschen, die Asyl beantragen, dazu verpflichten, unsere Gesetze und unsere Werte zu respektieren und danach zu leben. Wer das nicht tut, verändert damit unsere Gesellschaft zum Negativen, zu Intoleranz und Unfreiheit. Und so würden wir durch unsere Toleranz selbst das Umfeld für Toleranz zerstören.
Wer wirklich Hilfe braucht, der wird diese Verpflichtung eingehen. Wer sich nicht zu Menschenwürde, Gleichheit, Freiheit und anderen elementaren Werten unserer Gesellschaft bekennt, der kann vorübergehend Unterschlupf bekommen, jedoch nicht Teil der Gemeinschaft werden. - Aus dieser Klarheit werden Meinungs-Konflikte entstehen. Doch diese MÜSSEN ausgetragen werden, ansonsten wird sich das lebenspraktisch für alle in unserer Gesellschaft – unsere Schicksalsgemeinschaft – rächen.
- Ein Verstoß gegen unsere Gesetze UND Werte muss Konsequenzen haben. Und diese müssen auch praktisch umsetzbar sein.
Fazit:
Toleranz als solches ist ein theoretisches Konzept, das sich selbst widerlegt. Wir kommen nicht darum herum, zu definieren, was wir genau tolerieren sollten und was wir nicht tolerieren dürfen. Und diese Definition braucht eine klare Definition unserer Werte im ganz realen Kontext, der nicht bei der Schöngeistigkeit stehen bleiben darf sondern ehrlich betrieben werden muss. Und wenn wir diese definiert haben, müssen wir auch einfordern, dass alle sich danach richten, denn sonst wird sich unsere Gesellschaft in eine Richtung entwickeln, die wir uns ganz sicher nicht wünschen.
Auf der anderen Seite haben wir jetzt die Chance, endlich den Werteverfall in unserer Gesellschaft zu stoppen und uns neu zu definieren, damit eine lebenswerte Zukunft zu gestalten. Jetzt kommt es darauf an, diese zu nutzen!
Nachtrag zum Artikel „Tolerismus widerlegt sich selbst“:
Ich habe den Artikel bewusst etwas provokant gestaltet, aber wohl nicht präzise genug. Daher hier eine kurze Präzisierung.
Toleranz ist wichtig. Mir ging es darum aufzuzeigen, dass diese aber kein Ideal ist, das man anstreben kann, denn es ist genauso wichtig zu definieren, was wir NICHT tolerieren. Wir brauchen in Deutschland eine echte Willkommenskultur. Jedoch keine unreflektierte. Wie wir die Menschen behandeln und aufklären, wenn sie hier ankommen definiert sehr viel ihres anschließenden Verhaltens. Daher plädiere ich dafür, dass jeder der hier ankommt zunächst als Gast willkommen geheißen wird, gleichzeitig aber auch über die wichtigsten Werte und Verhaltensweisen, v.a. auch die Akzeptanzgrenzen von Handlungen, aufgeklärt wird und sich zu einem konformen Verhalten verpflichten muss.
Es mag mancher einwenden, das bewirke nicht viel, doch meine Erfahrung in der Leitung von „Gruppen“ ist, dass die ersten Momente der Begegnung sehr vieles recht verlässlich für die Zukunft definieren. Und gerade angesichts der Terrorgefahr könnten auch die freundlich gesinnten Muslime unsere größten Verbündeten sein (siehe Aussagen von Jens Todenhöfer).
Über den „Gutmensch“ rümpfen viele die Nase, gleichzeitig bewundern sie egoistische Leute wie Josef Ackermann oder jubeln den Schuhmachers und Becker’s, die aus Steuergründen nach Monaco geflüchtet sind, zu. Meine Absicht war, den Begriff Gutmensch positiv einzusetzen und damit zu irritieren. Leider war das an dieser Stelle jedoch auch andersherum zu verstehen…
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