Das Framing Wörterbuch für die deutsche Politik

Das Framing Manual für Deutschland – Framing macht viel mehr als das Manual der ARD

Die deutsche Printpresse erregt sich deutlich darüber, dass die ARD ein „Framing-Manual“ erstellen ließ, mit dem die ARD sich sprachlich besser darstellen wollte. Exemplarisch seien der Spiegel, die Süddeutsche und Cicero genannt.  Der Tagesspiegel geht sogar so weit, von einer Sektenschrift und Gehirnwäsche zu sprechen. Dieser Aufschrei verwundert, denn jeder dieser Journalisten hat schon unbesehen Framings durch eigene Artikel verbreitet. Tatsächlich existiert dieses Manual, aber das ist völlig harmlos im Vergleich dazu, wie Framing von der ach so erregten Presse benützt und weitergegeben wird. Wenn es denn so schlimm ist, was die ARD macht (Beispiel: „Die ARD ist der verlängerte Arm der Bürger.“), beschäftigen wir uns doch mal mit Framing.

Was ist Framing und wie wirkt es?

Framing bedeutet, sprachlich einen Rahmen zu geben. Das ist etwas ganz Natürliches, z.B. beginnt ein Lehrer eine Stunde mit der Aussage: „Heute geht es um die Auswirkung der griechischen Philosophie auf die Antike“ und hilft, das was danach kommt, richtig einzusortieren. In NLP wird Framing genutzt, um in einen anderen Denkrahmen zu führen. Wenn ein Klient beispielsweise ein Problem mit wiederkehrender Wut hat, kann die Frage „Welchen Nutzen hat diese Wut in diesem Augenblick?“ den Fokus auf einen Lösungsrahmen und mögliche Ursache lenken.

Wir lernen, über Sinneseindrücke und Worte, unsere Umgebung in unserem Gehirn abzubilden. So entsteht eine innere Konstruktion der Wirklichkeit. Wenn wir nun Worte nützen, die in diesem Konstrukt assoziiert sind, wird das damit verbundene Konstrukt im Gehirn aktiv. Dies ist auch über Gehirnscans nachgewiesen. Zeigt man beispielsweise Bilder von motorischen Bewegungen oder spricht über diese Bewegungen, dann werden im Gehirn die Areale aktiv, die diese Bewegung steuern, selbst wenn die Bewegung gar nicht ausgeführt wird.

Wenn wir also Worte hören, die wir positiv assoziiert haben, dann lösen diese die assoziierten Emotionen aus. Wer könnte schon etwas Schlimmes mit einem „Rettungsschirm“ oder mit einer „Liberalisierung“, also „Befreiung“ verbinden? Eine einfache aber wirkungsvolle Art des Framings ist also, entsprechend positiv oder negativ assoziierte Worte zu verwenden, die dann der Aussage implizit einen Rahmen geben. Z.B. könnte eine Mutter ihrem Sohn sagen: „Opa ist vom Teufel/Tod geholt worden“ oder „Opa ist bei den Engeln“. Der Fakt dahinter ist derselbe aber die Wirkung der Aussagen ist radikal unterschiedlich. Jeder kann das sofort erkennen, daher ist es kaum zu glauben dass es „Wissenschaftler“ gibt, die ernsthaft Framing als „Hokuspokus“ bezeichnen. Jeder Marketingexperte kann empirisch das Gegenteil beweisen.

Framing gibt über Worte eine Bedeutung für einen sachlichen Inhalt. So könnte man die Rundfunkgebühr auch als Beitrag für eine freie Presse bezeichnen.  Oder eine kommerziell abhängige Presse im Besitz von Medienmogulen und Großaktionären als „unabhängig“, weil sie kein Staatsmedium ist. Ach so ja, das macht man ja schon.

Labeling als besonders wirksame Form von Framing

Auch ist längst bewiesen, dass Menschen ihre Entscheidungen hauptsächlich auf Basis von Emotionen treffen. Informationen oder „Fakten“ dienen eher einer Rationalisierung der bereits getroffenen Entscheidung. Und Framing assoziiert Emotionen eines Begriffs mit einem anderen Begriff, wenn dieser in direktem Zusammenhang genannt wird.

Wenn beispielsweise ein Journalist wiederholt Personen oder Sachlagen zusammen mit negativen Begriffen unterbringt, entsteht bei den Lesern eine negative Assoziation mit dieser Person oder Sachlage. Und gerade in der heutigen Zeit, wo oft nur noch Überschriften, 144 Zeichen-Texte oder Bilder aufgenommen werden und keine Zeit ist, viele Texte zu lesen, liegt eine große Macht in suggestiven Überschriften und Darstellungen.

So werden in den Nachrichten sehr oft Etiketten an Menschen oder Organisationen gehängt, die dem Medienkonsument sofort mitteilen sollen, was er davon zu halten hat, z.B. „die rechtsnationale Partei …“, „Diktator …“, „Terrorist“, „gewaltbereite Chaoten“, „Parteichefin“, „Landesoberhaupt“, „Strukturreform“ usw. usw. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Aktuell werden die „Gelbwesten“ in Frankreich in die Rechte Ecke gestellt und ihre berechtigten Anliegen und ihr Ursprung in der Mitte der Gesellschaft verdrängt.

Was danach kommt, wird dann gleich in die so geschaffene Schublade gesteckt. Jemand in der Schublade „Verschwörungstheoretiker“ kann beispielsweise so ziemlich sagen was er will, es wird dann nicht mehr ernst genommen. Umgekehrt haben Fachautoritäten in Deutschland ziemliche Narrenfreiheit. Der Rat der „Wirtschaftseisen“ beispielsweise liegt eigentlich immer mit seinen Prognosen daneben, findet aber immer wieder Gehör in den Medien. Eine Ansammlung von Lungenärzten äußern Zweifel an Grenzwerten und schon springen alle auf den Zug auf und schimpfen auf die Grenzwerte.

Filterblasenkreation

Indem ein Konstrukt von scheinbar vertrauenswürdigen Personen und Organisationen eine bestimmte Meinung vertritt kann auch bewusst eine Filterblase geschaffen werden. Wie so etwas konkret beim Thema Schadstoff-Grenzwerte für Luft gemacht wurde, zeigt wunderbar „Die Anstalt“ vom 12.3.2019 auf. Weiteres Beispiel: die monetaristische Theorie und die neoliberale Agenda wurde ursprünglich in den 1950/60er Jahren durch Thinktanks hervorgebracht und anschließend in Gesellschaft, Wissenschaft, Hochschulen und Medien als „Allgemeinwissen“ platziert. Gut aufgearbeitet in „Die Anstalt“ vom 7.11.2017. Zwischenzeitlich entstand eine Kultur, in der alles Andere als Humbug abgetan wurde und niemand an einer Hochschule Karriere machen konnte, der nicht die Dogmen vertrat. Inzwischen hat die Wirklichkeit zum Glück ein Stück weit ins Bildungssystem zurückgefunden. Gleichzeitig wird aber Geld in die noch weitere Verbreitung gesteckt.

Nicht zu überschätzen

Alexander Kessler schreibt in Cicero, dass man die Wirkung von Sprache wahrscheinlich überschätzt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Viele Framings benützen wir so selbstverständlich, dass es niemandem mehr auffällt. Wenn es einen Arbeitsmarkt mit Angebot und Nachfrage gibt, warum heißen Arbeitnehmer nicht Arbeitskraftgeber, Arbeitgeber nicht Arbeitskraftnehmer? Die Sprache suggeriert, dass der Arbeitnehmer der Bittsteller im Markt ist. Warum heißen „Geldgeber“ nicht Zinsnehmer oder Dividendenprofiteure? Alle Begriffe treffen auf den Vorgang zu.

Framing bestimmt geradezu die Diskussion und unser Weltbild. Ich habe bereits in dem Artikel „Links und rechts – Nuhr ein bisschen Verblödung darauf hingewiesen, dass jede Maßnahme und Idee die im politischen Raum geäußert wird sofort einem Pol „Links“ oder „Rechts“ auf einer eindimensionalen Linie zugeordnet wird. Dies ist hochmanipulativ und wirft uns sehr erfolgreich immer wieder auf 260 Jahre und 170 Jahre alte Konzepte zurück. Auch im 21. Jahrhundert ist es nicht möglich, neue Lösungen differenziert zu diskutieren.

Beispiel Teilhabe

Es gibt auch durchaus unauffällige Worte, die trotzdem einen Denkrahmen setzen. Hans-Peter Martin schreibt in seinem Buch „Game Over“, dass er eine Lösung für die Entfremdung und Radikalisierung der Menschen und Länder in Teilhabe sieht. Teilhabe aber suggeriert auch, wie der Begriff „Umverteilung“, dass jemand anderem etwas humanitär geschenkt werden soll. In Wirklichkeit aber bräuchten wir keine politisch nachgeschobene Teilhabe, wenn die Primärverteilung des Geldes bereits gerecht und sinnvoll wäre. Genauso suggeriert der Begriff „Umverteilung“, dass jemandem etwas weggenommen wird, um es anderen zu geben. In Wirklichkeit müsste man eher den Begriff „Rückverteilung“ wählen. Denn von den Unternehmenseinnahmen fließen rund 1/3 an Vermögenseinkommen (Kreditzins, Ausschüttungen, Pacht, Miete) ab, bevor überhaupt Geld zwischen Arbeitnehmer und Staat (Steuer und Sozialabgaben) verteilt werden kann. Dieses Drittel wird nie zur Diskussion gestellt, stattdessen immer „der Staat“ an den Pranger gestellt, der ja ungerecht „umverteilt“.

Scheinbar ein Beispiel an George Orwells „1984“ genommen

Das Framing Wörterbuch für die deutsche Politik

Framing Bildquelle: (c) Aaron Amat @ Fotolia

In den letzten 10 Jahren war es besonders auffällig:  immer wieder werden Geschichten der Rettung, von Hilfspakten und weiteren positiv besetzten Begriffen erzählt, die aber bei genauerer Betrachtung eher das Gegenteil dessen beschreiben, was sie objektiv bedeuten. Im Roman „1984“ (George Orwell) nannte sich dieser genormte Sprachgebrauch „Neusprech“. Es gibt Websites, die sich dem Neusprech in unserer heutigen Zeit widmen, z.B. das Institut für Medienverantwortung und  Neusprech.org. Es scheint so, als würden Lobbyisten und Gremien sich gerne an positiv besetzen Begriffen bedienen, um fragwürdige Maßnahmen durchzusetzen und negative, um Gegnern einen negativen Rahmen zu geben, in denen sie diskreditiert werden.

Das Framing Wörterbuch für die deutsche Politik

Wie schon angedeutet: Es wäre schön, wenn dieses Framing-Wörterbuch für Deutschland einfach nur witzig sein könnte, aber leider zeigt die Übersetzung in die reale Bedeutung für die Bürger eine doch recht hässliche Wahrheit. Dennoch viel Spaß – und machen Sie gerne Vorschläge zur Ergänzung des Wörterbuchs!

  • Rettungsschirm = Banken und deren Anleger haben (aufgrund eines behaupteten Risikoaufschlags) jahrelang horrende Zinsen auf „Risikoanlagen“ erhalten. Als das Risiko eintrat wollten sie aber den Verlust des restlichen Geldes nicht akzeptieren. Die Staaten, die zuvor bereits kein Geld hatten/ verschuldet waren, haben diese virtuellen Spekulationsvermögen abgesichert, indem sie die Schulden übernahmen. Alle Bürger wurden zu Schuldnern der Spekulanten und wurden anschließend genötigt, über den Staat Schuldendienst zu leisten und Reformen nach der Ideologie der Spekulanten durchzuführen. Deutschland haftet allein nach aktuellem Stand des ESM für bis zu 480 Mrd. Euro, dieser Betrag kann aber jederzeit aufgestockt werden. Und das Beispiel Griechenland zeigt, dass das Eintrittsrisiko nicht nur groß, sondern sogar unumgänglich ist. Damit schenkt jeder Europäische Bürger immense Summen an Vermögende und gibt dafür letztlich auch noch demokratische Grundrechte ab.
  • Hilfspaket = Zahlungen, die an ein Land adressiert werden, die aber zu 90% an Bankinstitute fließen. Kein Geschenk sondern ein Kredit, der die Schulden dort noch größer macht (Prinzip Kredithai: Jemandem der nicht kreditwürdig ist einen neuen Kredit geben, der dann die Macht gibt, dem Schuldner alles zu nehmen oder ihn zu kriminellen Handlungen zu zwingen). Diese „Hilfe“ ist immer an die Unterwerfung unter eine von den „Kreditgebern“ vorgegebene Ideologie verbunden. Jede demokratische Regierung muss sich anschließend dieser Ideologie unterwerfen. Finanzminister Schäuble: „Ich diskutiere das Programm nicht – es wurde von der vorhergehenden Regierung akzeptiert, und wir können es unmöglich erlauben, dass Wahlen irgendetwas ändern. Denn wir haben die ganze Zeit Wahlen, wenn immer bei einer Wahl sich etwas ändern würde, dann würden die Verträge zwischen uns nichts bedeuten.“, Varoufakis: „Also an diesem Punkt musste ich aufstehen und sagen, ‚Nun, vielleicht sollten wir einfach in den Schuldnerländern keine Wahlen mehr abhalten,‘ aber da gab es keine Antwort.“  [Wer rettet wen]
  • Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) = Finanzielle Organisation, die über demokratischen Kontrollinstrumenten steht, juristische Immunität genießt und über die Finanzen der Mitgliedsstaaten verfügen kann. Haftungsunion für alle Schulden aller Europäischen Staaten und sogar für die bankrotter Banken, die geeignet ist, die ausufernden Schulden Griechenlands, Portugals, Spaniens usw. innerhalb einiger Jahre zum faktischen Bankrott aller EU-Länder ausweiten zu lassen. Inklusive der Länder, die sich gegenwärtig als Sieger der Situation sehen. Dies ebnet, ob gewollt oder ungewollt, den Weg zum Aushebeln der Demokratie in allen Europäischen Ländern für Reformen werteloser Ideologie.
  • Fiskalpakt = Jedes Parlament der Europäischen Union muss die Maßnahmen der vorgegebenen Ideologie umsetzen, was heißt „Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit“, gesetzliche Verankerung einer staatlichen „Schuldenbremse“ von 0,5% des BIP pro Jahr. (siehe u.A. Deutschlandfunk: „Von der Verrechtlichung neoliberaler Verhältnisse in der EU“). Gregor Gysi zeigt die juristischen und praktischen Konsequenzen dieses Vertragswerks in eine Rede im Bundestag auf. Bedeutet faktisch das Verbot einer Krisenpolitik nach J.M. Keynes Wirtschaftstheorie, wie sie z.B. die USA nach dem 1929er Börsencrash aus der lang anhaltenden Depression rettete („New Deal“ Politik).
  • Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit = Reduzieren der volkswirtschaftlichen Arbeits- und Sozialeinkommen (der „Lohnnebenkosten“) und der öffentlichen Einrichtungen (Bildung, Behörden, Straßenbau) zugunsten von Vermögenseinkommen und mehr Exportüberschuss (der Auslandsverschuldung nach sich zieht).
  • Harmonisierung der Wettbewerbsfähigkeit = Alle Länder müssen dieselben niedrigen Löhne, geringe solidarische Leistungen usw. umsetzen, die von einer, durch Lobbygruppen durchgesetzten, Wirtschaftsideologie vorgegeben sind und die Volkswirtschaft auf einen betriebswirtschaftlichen Blickwinkel einengen.
    NICHT gemeint sind damit Vereinbarungen zu einer gemeinsamen Steuerpolitik, wie z.B. eine europaweite Mindestunternehmenssteuer, so können weiterhin Unternehmen wie Google oder Amazon den Konkurrenzkampf der Staaten um Niedrigsteuern nützen und durch deren Lücken nahezu keine Steuern bezahlen.
  • Reduzierung der Lohnnebenkosten = Senken der Renten, Arbeitslosigkeits- und Sozialhilfe, senken der Steuern/ Staatseinnahmen durch „Entlastung“ hoher Einkommen, die meist nicht aus Lohnempfang kommen.
  • Reichensteuer = Suggeriert, dass „die Reichen“ besteuert würden. Tatsächlich aber handelt es sich um die Anhebung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer von 43% auf 45%. Sie bezieht sich also ausschließlich auf Besteuerung der Arbeit. Wirklich Reiche aber beziehen ihr Einkommen aus Vermögenseinkommen und das wird faktisch mit durchschnittlich nicht ganz 2% besteuert.
  • strukturelle Reformen = Reduzierung demokratischer Grundrechte, „Lohnnebenkosten“, sozialer Leistungen, Renten, Gesundheitssysteme, Bildung, Rückbau des Staates, „Privatisierung„, Abbau von Unternehmenssteuern und sinnvollen Regulierungen für Umweltschutz, Arbeitsrecht usw. NICHT gemeint sind Reformen zur Stärkung gesellschaftlicher Werte in der Wirtschaft, schaffen einer intakten Binnenwirtschaft, Investition in eine strukturelle Verbesserung der Wirtschaft, die helfen, eine ausgeglichene Handelsbilanz in Europa zu erreichen.
  • Privatisierung = Verkauf von Gemeinschaftseigentum (öffentliches Eigentum), das angeblich unrentabel sei, v.A. „technische Monopole“ (Wasser, Abwasser, Strom, Fernwärme, Straßen, Bahn) an private „Investoren“ (Organisationen, die Monopole kaufen, um damit in Zukunft sehr viel mehr Einnahmen zu erzielen als sie „investieret“ haben). Es bedeutet NICHT mehr Marktwirtschaft in ihrem eigentlichen Sinn sondern die Möglichkeit, steuerfinanzierte Einrichtungen durch für den Bürger sehr viel teurere Unternehmen zu ersetzen, deren Hauptzweck darin gesehen wird, Gewinn an „Investoren“ auszuschütten. (Beispiel Bahn: Weniger Qualität, Service und Wartung, kaum pünktliche Züge, teurere Fahrpreise, aber jährlich Milliardenausschüttungen an Aktionäre)
  • Geldgeber = Institute und dahinterliegend Menschen, die jemand Geld geben, um später erheblich mehr Geld zu bekommen. Mit dem Mehr an Geld treten sie dann wiederum als „Geldgeber“ auf, um noch mehr Geld zu bekommen.
    Im Fall Griechenland ist mit „Geldgeber“ die Troika gemeint, der IWF, die EZB, Europäische Kommission, die schon längst über 90% der Staatsanleihen von den ursprünglichen Kreditgebern „gekauft“ haben. Die geplatzten Risikopapiere sind also längst nicht mehr in den Bankbilanzen und – ergänzend erwähnt – den Banken kann es daher relativ egal sein, ob Griechenland aus der EU oder dem Euro austritt.
  • Gläubiger des Staates = privilegierte Banken, die als „Bieterbanken“ für Staatsanleihen zugelassen sind. Die Banken bekommen von der EZB Geld für 0,5% Verzinsung, kaufen damit Staatsanleihen von Europäischen Staaten und kassieren dafür im Regelfall zwischen 2 bis 4% für dasselbe Geld-Guthaben, das von der EZB neu erzeugt wurde. Es bedeutet NICHT Menschen, deren Geld an den Staat „geliehen“ wird. Denn das ist schon buchungstechnisch unmöglich.
  • private Investoren = Akteure der Finanzwelt, die sich Lobbygruppen leisten können, große Fonds wie „Black Rock“, große Banken wie „Goldman Sachs“ und ein paar Trittbrettfahrer, die von denselben politischen Maßnahmen und Privilegien profitieren. Sie behaupten, „Geldgeber“ zu sein. Natürlich fließt ab dem Moment der Investition aber das Geld auch in die andere Richtung.
  • der Markt (Beispiel: „Wir müssen die Märkte beruhigen.“) = Bedeutung: Finanzelite und ihre Lobbyorganisationen. Politische Aktionen für „den Markt“ sind im Regelfall Unterwerfungen unter eine gesellschaftsfeindliche Ideologie. Es bedeutet NICHT marktwirtschaftliche Prinzipien oder freiheitliche Interaktion aller Marktakteure in gleichwertiger Weise oder Abschaffung von Privilegien – sondern Einführung von Privilegien für kleine Klientelgruppen, die Macht- und Wohlstandsungleichheit schaffen.
  • Freihandel: Zwei Länder schließen einen bilateralen Vertrag, der Handelsbeschränkungen beschränkt. Es ist also keinesfalls „freier Handel“ oder „freier Markt“ sondern das Etablieren einer Sonderstellung gegenüber anderen Handelspartnern. Als Nebeneffekt werden darin meist Verabredungen getroffen, die Gesetze für Verbraucherschutz, Arbeitsschutz oder Strafzölle, die u.A. zur Durchsetzung von Umweltschutz, gesunder Ernährung und Gesundheit des Menschen unverzichtbar sind, verhindern sollen. Die Gerichtsbarkeit wird dann über die Landesgesetzgebung und Landesjutiz gestellt, entzieht sich also auch demokratischer Kontrolle und neutraler Justiz.
  • Freihandelsvertrag = laut Attac: Konzernermächtigungsgesetz. Bürger haben zu kaufen, was man ihnen vorsetzt, ohne Mindeststandards für Gesundheit, Lebensqualität, Arbeitsrecht
  • Liberalisierung des Finanzmarktes = Da Banken Privilegien haben die andere Marktteilnehmer nicht haben, z.B. Giralgeld zu erzeugen, bedeutet eine „Liberalisierung“, also Reduzierung der Regulierung gleichzeitig eine Privilegierung dieser Marktteilnehmer gegenüber anderen Marktteilnehmern. Dies „Finanzmarktliberalisierung“ widerspricht also völlig dem freien Markt, der gleichartige und gleich mächtige Akteure voraussetzt.
  • systemrelevant = mehr wert, finanzielle Unternehmen die den Staat mit ihrem eigenen Bankrott erpressen können, weil die Politik das Finanzwesen so dereguliert/ privilegiert hat, dass große Mengen virtueller Vermögen und spekulativer Finanzpapiere in Bankbilanzen die Norm sind. Deshalb würden alle Banken (außer Sparkassen, Volksbanken und anderen nachhaltig arbeitenden Instituten) bei Erlauben des Verfalls der Papiere die Interaktion zwischen Wirtschaftsakteuren zerstören. Es bedeutet NICHT demokratierelevant oder unverzichtbar, wie uns die Lösung Islands zeigt.
  • Bankenrettung = Jahrelang kassierte Zins-Risikoaufschläge auf spekulative „Anlagen“ müssen vom Staat getragen werden, sobald das Risiko eintritt. Anschließend müssen die Staaten zum Schuldendienst und „strukturellen Reformen“ gezwungen werden, weil sie angeblich schlecht gewirtschaftet haben.
  • Staatsschuldenkrise = Für die Rettung der Banken haben die Staaten allen von 2008 bis 2010 mehr als 1.600 Mrd. Euro an neuen Schulden aufgenommen. Dies ist die Ursache der sogenannten „Staatsschuldenkrise“. Heute redet die Politik nur noch von Staatsschuldenkrise und die Konsequenz daraus sollen Sparmaßnahmen der Staaten sein. In Wirklichkeit aber ist die Ursache die Bankenderegulierung, die daraus folgende Bankenkrise und die Willfährigkeit der Politik gegenüber der finanziellen Elite in Europa und den USA.
  • über die Verhältnisse gelebt = bedeutet: „nachdem die Staatsschulden durch die Bankenkrise explodiert waren, mussten wir Euch mitteilen, dass Ihr daran schuld seid, indem wir Euch erzählt haben, dass Ihr über Eure Verhältnisse gelebt habt.“ In Wirklichkeit haben aber die Empfänger der spekulativen Bankengewinne „über den Verhältnisse gelebt“, nicht die Empfänger niedriger Einkommen. Auch: die Löhne in manchen Staaten waren, auf die Produktivität bezogen, relativ höher als die in Deutschland nach den Agenda 2010-Reformen. Dadurch kam es zu einem Ungleichgewicht im Europäischen Wirtschaftsraum, Handelsbilanzdefiziten und Schuldenwachstum bei vielen Staaten. Genauso groß ist der Einfluss darauf aber, dass Deutschland „unter seinen Verhältnissen gelebt“ hat. Mit Fleiß oder langer Arbeitszeit hat das übrigens nichts zu tun, wie eine Untersuchung zeigt.
  • Die Zukunft verfrühstückt =  ähnlich wie oben. Es wird behauptet, dass wir heute durch Schuldenaufbau unsere Zukunft verbrauchen. Es soll jedoch mal jemand erklären, wie wir heute Eier essen sollen, die erst in 5 Jahren gelegt werden oder Produkte verbrauchen können, die erst später hergestellt werden. Wenn man also vom Verfrühstücken redet, dann geht es letztlich nur um monetäre Effekte, die durch ungeeignete Verteilung von Geld verursacht werden.
  • alternativlos = Bitte denken Sie nicht darüber nach, wie man das Problem anders lösen könnte. Auch: „Ich komme aus dem Land des gescheiterten Marxismus und betrachte deshalb das andere System als alternativlos, ohne es aber zu verstehen oder sinnvoll zu gestalten.“ (das könnte wirklich ein Grund sein, wie die Aussagen des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk zeigen)
  • letzte Chance = Dem Verhandlungspartner wurden durch Androhung einens finanziellen Kollapses Maßnahmen aufgezwungen, die ihm keine Chance geben, jemals aus ihren Schulden herauszukommen. Vorstufe zu weiteren letzten Chancen, wenn diese Realität wieder einmal unumgänglich bewusst wird.
  • Europäische Werte = Einerseits Rechstordnung, andererseits darf kein Profitstreben unter gesellschaftlich Werte gestellt werden (siehe TTIP, ESM usw.). Es bedeutet NICHT christliche Werte, Nächstenliebe (Beisp. Flüchtlingspoltik), Solidarität (Beisp. Sozialabbau), Freiheit (für JEDEN), Gleichheit (Beispiel Privilegierung von Banken, politische Macht von Lobbygruppen, Bevorzugung Pensionen vor Renten usw.), Frieden (militärische Interventionen im Irak, angedachte in der Ukraine) usw.
  • Willkommenszentrum“ (De Meziere) = Auffanglager für Asylanten. Es bedeutet NICHT, dass Flüchtende aus anderen Ländern willkommen wären oder willkommen geheißen werden.
  • „Internationale Verantwortung übernehmen“ (Ursula von der Leyen) = militärisch in anderen Staaten eingreifen. Es bedeutet NICHT, soziale Verantwortung für Menschen oder solidarische für andere Staaten. Und auch nicht für die humanitäre Lösung der Flüchtlingswelle.
  • Parteichef/in: Ein demokratisch gewählter Parteivorstand, der die Parteimitglieder vertreten soll wird als „Chef“ bezeichnet, was suggeriert, dass der Chef den Kurs bestimmt und der Rest ihm zu folgen hat. Das widerspricht dem demokratischen Grundsatz, wird aber gerne so gelebt.
  • humanitäre Intervention = Krieg gegen unerwünschte Regierungen.
  • Arbeitnehmer = Jemand der Arbeitskraft gegen Entgelt zur Verfügung stellt. Also auch Arbeitskraftgeber.
  • Teilhabe = Einfordern eines Anteils am Gesamtkuchen, der es ermöglicht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. DerBegriff suggeriert eine humanitäre Aktion für Bittsteller, aber wenn die Geldverteilung im Kern gerecht wäre, müsste man nicht mit politischen Mitteln anschließend für eine Teilhabe sorgen.
  • Populist = Jemand, der auf die Stimme der Bürger Rücksicht nimmt oder jemand, der rechtsradikale Ansichten vertritt. Sie können es sich aussuchen. Echte Demokraten sind also Populisten, genauso wie Neonazis.

Es wird schnell klar, dass ein Framing-Wörterbuch dieser Art nie vollständig sein kann. Diese Auswahl soll nur verdeutlichen, dass wir alle uns in gedanklichen und sprachlichen Rahmen befinden, die eine wirklichkeitsnahe Diskussion oder gar Lösung fast unmöglich machen.

Und aus meiner Erfahrung als systemischer Berater sein noch eins angemerkt: Immer dann, wenn man keine Lösung finden kann, denkt man in einem falschen Rahmen. Findet man einen geeigneten Denkrahmen, dann findet man immer eine Lösung.

Aus unbewussten „Frames“ auszubrechen oder einen  anderen „Frame“ zu wählen, macht of erst nachhaltige Lösungen möglich.

2 thoughts on “Das Framing Manual für Deutschland – Framing macht viel mehr als das Manual der ARD

  1. CU_Mayer Post author

    Psychoanalyse Angela Merkel und ihre Sprachmuster: https://www.nachdenkseiten.de/?p=43253 :

    „Die Formel für dieses Verhaltensmuster lautet wie folgt: „1. Ansprechen eines THEMAS – 2. Aussprechen einer PHRASE“. Bei einer Thematisierung wird die unbequeme Realität so wenig wie möglich berührt, geschweige denn konkret behandelt. Im Gegenteil: Sie wird so schnell wie möglich ausgeblendet und durch eine abstrakte Phrase, die nicht nur wohlklingend ist, sondern auch unverfänglich und unverbindlich bleibt. Meistens handelt es sich bei diesen Phrasen um schöne und/oder gute allgemeine Sätze über den Rechtsstaat, die Demokratie, die Menschenrechte usw., wobei in jedem Fall ebenso stillschweigend wie selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass diese Ideale in der BRD bisher für sämtliche Bürger Bestand hatten und von der deutschen Regierung für alle Menschen gleichermaßen verteidigt werden. Manchmal versucht die Kanzlerin die Bürger auch zu belehren, doch diese Form der Lehre verkommt zur ideellen Leerformel, weil ja zuvor mit der Ausblendung der Realität auch die Gleichheit der Menschen, ihre Rechte und demokratischen Ansprüche in einen reellen und allenfalls politisch umsetzbaren Sinne verabschiedet wurden.“ .. „Merkel ist auch eine Meisterin der Auslassungen. Zuweilen mag es sich um eine eher »passive« Verschwiegenheit oder auch um sogenanntes Nichtwissen (-Wollen) handeln, beispielsweise, wenn sie lange Zeit ausdrücklich nichts von der Tatsache wissen wollte, dass US-Drohneneinsatze vom deutschen Ramstein aus gesteuert werden.“

    Merkels Word-Framing: „Auch hier setzt Merkel also auf eine Sprache, die verschleiert? So ist es. Die Bundeskanzlerin setzt an die Stelle verräterischer Begriffe harmlosere oder sogar human oder sozial anmutende. Gegenüber einer sachlogischen Begrifflichkeit bevorzugt sie die Verklärung der Sachverhalte. So vertauscht Merkel ihre neoliberale Politik mit ihrem „überwältigenden Grundbekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft“, einem Konzept, das sie fast durchgehend an die Stelle weniger schöner Begriffe stellt (wie z.B. „Sozialabbau“). „Auffanglager“ werden durch „Aufnahmezentren“, „Waffenlieferungen“ durch „Entwicklungshilfe“, „expansive Politik“ durch „Deutschlands Weltoffenheit“ und „Übernahme von Verantwortung in der Welt“ ersetzt.“

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