Bundestagswahl AFD

Oje .. die Parlamente haben AFD

In Sachsen und Brandenburg hat die AFD jeweils rund ein Viertel der Wählerstimmen erreichen können. Auch die Bundeswahl 2017 schockierte, als zum ersten mal eine als rechts eingestufte Partei, die AFD, ins Bundesparlament einzog. Laut amtlichem Endergebnis erreichte sie 12,6% bzw. 5,8 Millionen Stimmen. Zum ersten  mal in der Geschichte der Bundesrepublik sind 6 Parteien im Bundestag vertreten.
Besonders auffällig sind jedoch auch die massiven Verluste für die größten Parteien CDU/CSU und SPD. In Sachsen kam die SPD mit 7,7% gerade noch über die 5% Hürde.

Wie konnte es nur so weit kommen?

Es gäbe sehr viel zu diskutieren und viele Zukunftsprobleme zu beheben aber das Hauptthema in Medien und Parteienlandschaft ist die AFD. „Wie konnte es nur so weit kommen“, so lautet die häufig gestellte Frage. Und Grüne, Linke, SPD, CSU und FDP wollen die AfD bekämpfen. Das hätten sie mal vorher tun sollen, indem sie Politik für die Bürger machen.

Bundestagswahl AFD

Der Bundestag hat AFD, Sachsen und Brandenburg haben AfD – was kann man tun? – Bildquelle: Menschen-gerechte-Gesellschaft, 2019

Nehmen wir mal an, ein Mann frisst jeden Tag ungesundes Essen in sich hinein, bewegt sich kaum, man sieht ihm mangelnde Hygiene an, er nimmt giftige oder krebserregende Chemikalien über Rauchen, Nahrungsmittel, falsche Medizin zu sich,  und schläft in einem schimmligen Keller. Heute kommt er zu ihnen und klagt, dass er krank geworden ist. Aber er will die Krankheit bekämpfen. Was sagen Sie diesem Mann?

Werden Sie zusehen, wenn er noch mehr der falschen Medikamente nimmt, oder werden Sie ihn mitfühlend darauf hinweisen, dass er seine Krankheit am besten vermeidet, wenn er ab jetzt gesund isst, in gesunder Luft schläft, etwas Sport macht und Rauchen und falsche Medikamente weglässt?

Auf Landesebene konnten keine glaubhaften Lösungen angeboten werden. Auf Bundesebene wurden in der Wahlkampfphase essentiell wichtige Themen nicht angesprochen und die öffentlichen Diskussionsrunden, das „Kanzlerduell“, und die Medien generell, haben fast nur Themen der AFD aufgegriffen. Niemand braucht sich zu wundern, wenn die AFD damit mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung bekommt.

Falsche Themen, falscher Fokus

Viele Menschen verstehen nicht, dass es im Regelfall das Gegenteil bringt, wenn man etwas oder jemanden bekämpft. Die volle Konzentration liegt dann genau dort, wo wir weg wollen und angegriffene Personen wehren sich, werden noch aggressiver und lautstärker. In diesem Fall werden die AFD-Wähler noch mehr in Protest gehen, wenn ihre Anliegen nicht gehört werden, stattdessen ein Symptom bekämpft wird.

Die Nachdenkseiten wiesen schon darauf hin: „Die AfD und der Schraubenschlüssel im Getriebe des Systems – bitte nicht Symptom und Ursache verwechseln„. Jegliche Form von Extremismus ist nicht als Solches das Problem sondern Symptom von Fehlentwicklungen der Gesellschaft und damit zwangsläufig auch der Politik.

Fehler der Weimarer Republik

Auch als Adolf Hitler die Macht ergriff und später in der Nachkriegszeit stellte man sich diese Frage: „Wie konnte es nur so weit kommen?“ Die Antwort ist: Extremisten hätten keine Bedeutung gehabt, wenn die Regierungen Politik für die Bürger macht hätten statt mit „weiter so“ Klientel- und Alibipolitk ohne Vision zu betreiben. 

Vor den Ausführungen möchte ich noch klarstellen, dass ich hiermit NICHT die AfD mit der NSDAP vergleichen will. Sie hat durchaus nicht als rechte Partei begonnen, siehe Artikel „Medialer Shitstorm, AFD und das Parteiengesetz oder wie man eine Partei zur rechten Schießbudenfigur macht„. Sie ist aber zu 57% aus Protest gewählt worden und Ausdruck des Versagens der sich selbst als Retter der Demokratie stilisierenden anderen Parteien.

Historisches Versagen

Hajlmar Schacht war in der Weimarer Republik einige Jahre lang Chef der Zentralbank. Er wurde unter Adolf Hitler zum Wirtschaftsminister und er war derjenige, der es schaffte, die Wirtschaft in kürzester Zeit zur Blüte zu bringen. Wie hat er das geschafft und warum nicht die Regierungen vor 1933? Ich kann nicht beurteilen, ob Schacht, wie er sagt, nur seinem Land dienen wollte, oder doch etwas von Hitlers Kriegs- und Vernichtungsplänen wusste. Hier geht es nur um die wirtschaftlichen Maßnahmen und ob sie die Regierungen vor 1933 auch hätten anwenden können. Die folgenden Informationen sind seiner 1953 veröffentlichten Autobiografie entnommen. 

In der Weimarer Republik kam es durch die Gestaltung der Reparationszahlungen und falsche Geldpolitik erst zu hyperinflation und dann zu einer Deflation mit massiver und anhaltender Wirtschaftsdepression (u.A. ausführlich erklärt im Buch „Goodbye Wahnsinn“ und kurz im diesem Artikel). Extrem hohe Arbeitslosigkeit weite Armut und Perspektivlosigkeit waren die Folge. Es ging nicht nur um eine Wirtschaftspolitik mit denen man nicht einverstanden war, sondern den Menschen ging es in ihren Leben richtig schlecht.

So wurde damals die Wirtschaftsdepression überwunden

Schacht trat als Erstes in intensive Verhandlungen mit den Siegermächten, um die Reparationszahlungen so weit zu drücken und zu verschieben, dass die deutsche Wirtschaft wieder funktionsfähig werden konnte. Mit dem Aufzeigen der verheerenden Folgen einer Fortsetzung der bisherigen Politik und Verhandlungsgeschick schaffte er das tatsächlich. Hätten das Regierungen vor diesem Zeitpunkt tun können? Ja! Nur hatten sie dazu keine Entschlossenheit und folgten willfährig den Vorgaben, bis es zu unzumutbaren Zuständen und schließlich zur Radikalisierung kam.

Des Weiteren waren die Handelsbilanzdefizite ein Problem. Er verhandelte mit Staaten, mit denen eine ausgeglichene Handelsbilanz möglich war, Ländern die die nötigen Rohstoffe hatten und Güter benötigten Z.B. Brasilien, Japan). Bilaterale Handelsverträge sicherten ausgeglichene Handelsbilanzen, was die Situation deutlich verbesserte. Hätte das schon eine Regierung vorher tun können? Ja! Nur folgte man der Freihandels-Agenda der internationalen Finanzwelt und kam immer tiefer in Probleme. 

Als Drittes war der Geldkreislauf gestört und es mussten Geldmittel mobilisiert werden. Da die Währung durch die erzwungene Goldbindung gedeckelt war, gab es keine Möglichkeit, das fehlende Geld zu drucken. Er wusste aber, dass in der Wirtschaft Mittel wären, die in den Kreislauf gebracht werden mussten. Und so brachte er Wechsel mit staatlich garantierter Verzinsung in Umlauf. Diese dienten als Ersatzwährung, konnten transferiert werden und so kam die Wirtschaft wieder in Schwung. Wären, laut Schacht, die MEFO-Wechsel in einem Kreislauf der Wertschöpfung geblieben, wäre diese Ersatzwährung nachhaltig gewesen. Später wurden diese Wechsel aber immer wesentlicher zum Finanzieren der Rüstungsindustrie verwendet, das Geld wurde also nicht zu Wert sondern zu Zerstörung, und das führte Jahre später auch zu einem Wirtschaftskollaps (dieser war nicht nur durch den Krieg selbst verursacht). Hätte eine frühere Regierung ein System zum Wiederbeleben des Geldkreislaufs einführen können? Ja! Aber dazu hätten sie Klarheit, Konzept und Mut gebraucht und das hatten sie nicht.

Mit anderen Worten: Alles was Hjalmar Schacht erreicht hatte, hätten auch schon Regierungen der SPD oder Zentrumspartei erreichen können. Doch sie hatten ungenügend Wissen, keine Vision und nicht annähernd genug Mut. Sie sind die, die letztlich für die Radikalisierung und den 2. Weltkrieg verantwortlich sind. Es hätte nie eine NSDAP-Regierung gegeben, wenn die Politik ihren Auftrag, die Bürger zu vertreten und Lösungen zu finden, wirklich ernst genommen hätte und wenn die Siegermächte USA, England und Frankreich den demokratischen Regierungen zu Hilfe gekommen wären und nicht erst dem Wirtschaftsminister Schacht.

Heute

Viele in den östlichen Bundesländern fühlen sich abgehängt. Aber auch viele Bürger in vielen Ländern in Europa fühlen sich abgehängt. Hohe Arbeitslosigkeit, Ausverkauf des Landes, der Immobilien, der Infrastruktur an „ausländische Investoren“ und trotzdem Schuldenberge bedeuten große Perspektivlosigkeit und einen breiten und massiven Verlust an Freiheit und Lebensqualität.

Die EU und die deutsche Regierung lösen die Probleme nicht, die durch eine falsche Gestaltung de Euro und verfehlte Politik entstanden sind, sondern disziplinieren stattdessen die Länder und Bürger. Sie zeigen kein Konzept für echte Zukunftsfähigkeit Europas gegenüber z.B. Asien, außer durch Verarmen eigener Bevölkerungsteile scheinbare Wettbewerbsvorteile generieren zu wollen (das funktioniert nicht für die Binnenwirtschaft und für Europa, siehe Warum ist Deutschland erfolgreicher als der Rest des Westens? Und: Die ganze Wahrheit über Ihr Einkommen).

In dem wirtschaftlich stärksten Land der EU arbeiten 24% der Berufstätigen im Niedriglohnsektor, die Rente reicht für viele nicht zum Leben, Schulen verfallen usw. Gleichzeitig gibt es im selben Land extremen Reichtum, Billionen werden zur Bankenrettung verwendet, man schenkt in Europa internationalen Konzernen jährlich rund 1 Billion Euro, weil man ihnen Steuerumgehung ermöglicht, man tut nichts gegen Steueroasen usw. Es ist kein Wunder, wenn die Bürger und Wähler den Eindruck haben dass sie über den Tisch gezogen werden und sie Politikern abgesehen von einem Kreuz auf einem Zettel, alle vier Jahre, egal sind. 

Dazu kommen zahlreiche Probleme der Zukunft, die Konsequenzen der digitalen Plattformen für Arbeit, die visionäre Konkurrenz aus China, Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, Weltklimaerwärmung, Verlust jeglicher Privatsphäre usw., über die von den sichtbaren Parteien noch nicht einmal öffentlich nachgedacht wird. 

Um Radikalismus los zu werden, muss man die Probleme im Kern lösen, statt das Symptom zu bekämpfen. Siehe auch: Radikalismus im Ursprung bekämpfen statt Symptome anprangern.

Die Erfolglosigkeit der anderen Parteien ist der Sieg der Protestparteien

All die Probleme der EU un Deutschlands könnten gelöst werden, wenn der Wille dazu da wäre. Aber es mangelt schon am Willen, überhaupt Informationen zuzulassen, die diese Phänomene treffend erklären oder wie die Themen zu lösen sind. Unter diesen Umständen ist das Jammern über die Wahlerfolge der AfD billig und fadenscheinig. Wie damals geht es immer so weiter, bis der nächste Kollaps kommt. Angela Merkel steht symbolisch für das „alternativlose“ „weiter so“, egal was passiert, man makelt die Probleme statt sie zu lösen. Und man verweigert radikal jegliche Vision, die Europa oder Deutschland zu dem führen könnte, was wirklich im Sinne der Bürger wäre.

Eine Politik, ein politisches System, genauso wie ein Wirtschaftssystem muss die Werte der Menschen verwirklichen. Immer von christlichen oder demokratischen Werten zu reden aber die Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit, demokratische Mitbestimmung, informelle Selbstbestimmung, medizinische Selbstbestimmung usw. immer weiter zu reduzieren, zeigt entweder Unfähigkeit oder andere Ziele auf.

Die echten Werte sind nicht im Wesentlichen Mengenwachstum, Profit oder Sicherheit. Sie sind Menschenwürde, Liebe, Respekt, Gemeinschaft, Sinnhaftigkeit und sehr viel mehr. Wer immer mehr Abstriche davon davon erreicht, ist irgendwann nicht mehr glaubwürdig.

Das hier sind die tatsächlichen Werte der Bürger:

Werte der Bevölkerung laut Umfrage [Menschen-gerechte-Gesellschaft, 2019]

Umfrage zu Werten:
teilnehmen:  Umfrage: Ihre Werte
ansehen: Ergebnis bis heute
ansehen: Ergebnis bis 2015

Wo finden Sie in diesen Werten Radikalismus oder rechtes Gedankengut? Ich finde darin beides nicht. Radikales entsteht, wenn die echten Werte profund verletzt werden.

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About CU_Mayer

Über den Autor Nach Beginn im kaufmännischen Zweig studierte Dipl.-Ing. (FH) Christoph Ulrich Mayer, geboren 1968 in Krumbach (Schwaben), Nachrichtentechnik. Er arbeitete mehrere Jahre als Ingenieur und Projektleiter, bevor er sich 2001 mit Ingenieur-Dienstleistung, Unternehmensberatung & Coaching selbständig machte. Seit ca. 15 Jahren arbeitet er als Systemischer Coach. In dieser Zeit lernte er die unterschiedlichsten Denkweisen und Wertesysteme, auch anderer Kulturen, kennen und entwickelte somit einen Weitblick für gesellschaftliche Zusammenhänge. Durch die Beratungsarbeit in Unternehmen kennt er zudem viele Hintergründe, die die Wirtschaftsprozesse besser verstehbar machen. In jahrelanger intensiver Arbeit verfasste er das Buch "Goodbye Wahnsinn - vom Kapitulismus und Kommunismus zum menschenGerechten Wirtschaftssystem". Auf unorthodoxe Weise setzt er sich mit Lehren von Adam Smith bis Karl Marx und mit Sichtweisen von Norbert Blüm bis Sarah Wagenknecht auseinander. Sein Anliegen ist, mit seinen Erkenntnissen und Lösungen zu zeigen, dass wir eine bessere - eine nachhaltigere - Zukunft wählen können.

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